2.1. Der Hirtenbrief und die Flucht aus Oberschles

2.1. Der Hirtenbrief und die Flucht aus Oberschlesien

Vierundvierzig Jahre später, im Jahre 01 vor der Wende, vom Klimawandel sprach noch niemand und es war Frühherbst, kündigte die Natur einen schönen ruhigen Jahresendverlauf 1989 n. Chr. an. Alle Theologen werden nicht verneinen können, dass auch in der Antiwelt der Allmächtige wirkt. Der Jahresendverlauf wurde nicht etwa durch die staatlich verordnete Jahresendfigur mit Flügeln verkündet, deren Kompetenz die des Weihnachtsmannes bei weitem übertraf. Nein, durch sich selbst. Farbige Blätter fielen herab, der Staatsfeiertag war mit dem üblichen Erfolgsgetöne und -getöse der Obrigkeit bewältigt worden.

Der schulinterne Festakt an einem Freitag zum 7. Oktober 1989 in einer Polytechnischen Oberschule der Kleinstadt verlief aber heute anders.
Erst tönte aus dem alten Tonbandgerät, Rekorder und digitale Geräte gab es noch nicht, ein kratzend sprechender Despot aus der Vergangenheit des Bruderlandes, welches sich als Besatzungs- und Siegermacht so nennen ließ. Dann sprach der rege dienernde Schulchef, welcher ihn in das alte Tonbandgerät eingelegt hatte. Wer und was den Kollegen Peo zum Überkochen gebracht hatte weiß man nicht mehr ganz genau. Doch die Lobhudelei auf die Abzeichenträger der führenden Partei als die einzigen Stützen der Republik, welche irgendwo in der Antiwelt liegt, steigerte seine Empörung und so polterte er dazwischen und los, erörterte in ungehobeltem Ton die beschämende Tatsache, dass das Fundament der Volksbildung, die ehrlichen und fleißigen Lehrkräfte und Erzieher wohl völlig bedeutungslos in der Bildung und Erziehung gewirkt hätten? Er geißelte die Arroganz der Parteidoktrin und ihrer Vollstrecker.
Er wollte damit nicht die vom politischen Regime eingefangenen Kollegen verletzen, welche tüchtige und oft auch beliebte Fach- und Lehrmeister waren, mit denen das Schicksal nicht so großzügig umging wie mit Peo, dem aus der Schutzzone Bauernpartei. Diese Bauernpartei war eine vom Regime zugelassenen Partei, welche als Feigenblatt den Absolutismus der Staatspartei zu bedecken hatte. In einer solchen Blockpartei, es gab noch drei davon, konnte sich mancher dem Zugriff der Genossen entziehen, mancher eine große Lippe riskieren, mancher aber auch zu einem gefürchteten, weil harmlos wirkenden Helfershelfer der Staatspartei werden.
Das dazwischen Poltern war einfach wieder einmal ein Bürsten gegen den Strich und zielte auf die, welche ihre Parteizugehörigkeit missbrauchten, dass Zipfelchen Anteil an der sozialistischen Staatsmacht genossen. Wer schon einmal Pferde, Rinder und Esel mit Bürste und Kartätsche gepflegt hat der weiß, dass dabei, gegen den Strich gebürstet, Staub aufwirbelt und kein glänzendes Fell zurückbleibt. Bleibt man stetig dabei, ist auch der versteckte Dreck irgendwann verschwunden und ein Strich in Richtung Strich genügt, damit Glanz entsteht. Und Peo konnte dieser Stallweisheit nun einmal nicht widerstehen, auch wenn dieses Beispiel hinkt.

Die Worte saßen, das Kollegium akzeptierte ohne Gegengemurmel den Störenfried.
Nur eine weibliche Person, eine tätige Erzieherin fühlte sich verpflichtet, schnell den Raum zu verlassen, über die Flure des jetzigen Lepsiusgymnasiums zum nächsten Telefon zu hasten, um an die Obrigkeit zu berichten. Sie nahm wohl ihren Erziehungsauftrag sehr ernst. Die Wirkung kam 3 Tage später in Form einer Vorladung durch den Kreisschulrat, welcher noch lange nicht ahnen konnte, dass der Geladene einmal sein Nachfolger wird. Doch von dieser beruflichen Wende in der Zeit der nachfolgenden politischen Wende ahnten beide noch nichts. Von diesem Vorgang wird auch noch zu berichten sein.

Der Rest der Mannschaft also schaute teils harmlos mimend, teils verlegen in die düstere Zukunft. Vorsicht war ja fünfundvierzig Jahre trainiert worden. Trotzdem spürten die Auffälligen Signale der Gleichgesinnung durch freundliches Miteinander, durch Nichtbeteiligung an Diffamierungen, durch Verschlüsselungen. So schimpften der im astronomischen Umfeld hausbekannte Chemiker der Bildungsanstalt in der Schulstraße und der um physikalische Einsichten ringende Mitplanetarier Peo augenzwinkernd auf die „Kolumnisten“, die etwas beschlossen oder vollziehen ließen. Beide bildeten sich doch tatsächlich ein, dass sie die Verbrämung, aus Kommunist wurde Kolumnist, bei einem Zugriff als Unschuldslamm abgestempelt hätte.
Auch Rosi, die Geografin und Mutter zweier Kinder, schien unter ihrem Blondschopf und hinter den blauen Augen nichts vom Gesinnungsgleichschritt zu halten, musste sich aber unauffällig zurückhalten. Denn Mütter mit Kindern wurden nicht verschont, wenn ihnen zu Recht oder Unrecht fehlender ideologischer Gehorsam unterstellt wurde. Es war unter der Hand bekannt, dass Mütter in Zuchthäuser kamen und deren Kinder in Heime, dort oft missbraucht und gepeinigt. Wie sollte sie also anders als augenscheinlich wirken wie ein im Frühjahr so lichtvoll und noch im Schnee gelb leuchtender Winterling? Hieß nicht so eine Lehrkraft auf der realen Erde? Immerhin genoss sie aber wie auch Marios Mama Heidi Peos und der anderen Leichtsinn, die Ideologen auflaufen zu lassen und beteiligte sich nicht an Diffamierungen. Dass es so war, erfuhr Peo erst während eines Hausarztbesuches im Jahr Zweitausendsieben. Warum auch nicht!
So etwas wärmt. Welch eine Erinnerung: Mit ihr flott zu tanzen, zu albern und weitere harmlose Gemeinsamkeiten auszutauschen unterschied sie von den ernsthafteren oppositionellen Damen und Herren. Und welch eine Überraschung: Am 15.09.2007 konnten Peo und seine Frau auf einem Klassentreffen der „Schulabgänger 1987“ ihr, welcher es 1987 gelang, die Mauer zu überwinden, begegnen und sie umarmen.

Ganz im Gegensatz zum Erfolgsgetöne der Angepassten mehrten sich die lauten Zeichen der Unwilligkeit unter der Bevölkerung der Republik, dem „Sozialistischen Staat deutscher Nation“. Auswanderungen in das nichtsozialistische Ausland, nicht mehr zu übertönen, wurden sogar im Staatsfunk bekannt gegeben. Staatsmänner aus dem Ostblock der Antiwelt, diese war in Länder aufgeteilt und hatte erdenähnliche Strukturen und Verwaltungsbegriffe, signalisierten Fairness gegenüber den Unruhigen in der östlichen Völkergemeinschaft, ein Ende der passiven Aktivität war abzusehen. Die Ungarn ließen die Ostdeutschen die Grenze zum kapitalistischen Ausland passieren.
Wie es dazu kam? Zwischen Österreich und Ungarn wurde ein paneuropäisches Picknick beschlossen. In dieser Zeit sollte die Grenze zwischen beiden Staaten für drei Stunden geöffnet werden. Die Urlauber aus der DDR erfuhren davon und verschafften sich Zugang zu diesem „Grenzabschnitt auf freier Wildbahn“ und gingen fröhlich bewegt in die kapitalistische Welt. Der zuständige ungarische Grenzoffizier ließ die offensichtlich flüchtenden Männer, Frauen, Kinder durch. Das war der Beginn des Mauerfalls mit den Zwischenstationen Dresden, Leipzig, Berlin und dem Schlachtruf „Wir sind das Volk“.

Auch die Bulgaren hörten auf, für ein Kopfgeld von achttausend Mark die DDR -Flüchtigen in Richtung Türkei abzuschießen.

Herrn Peos Frau, eine Grundschullehrerin und er, Lehrer für Mathematik und Physik, hatten in ihrem „Antiwelt-Trabant de Luxe“, den gab es seit dem 07. November 1957 auch dort, auf dem einskommafünffach großen Planeten im Sternbild Waage und es herrschten wie auf der Erde die gleichen Schwerkraftgesetze, die beiden Kinder und etwas Reisegepäck untergebracht, um Oma und Opa in Mühlanger neben der Lutherstadt Wittenberg, in der Antiwelt gibt es gleiche Abläufe und gleiche Namen, zu besuchen.
Der Vierzehnjährige im Fond wachte darüber, dass weder der vom Mars stammende Rauhaardackel Ybse, kein italienischer Trüffelhund eines zugezogenen Oberlandesgerichtspräsidenten, wie nach der Wende in der Johann-Gottlieb-Fichte-Straße auftauchend, sonder ein wachsames Hundemädchen mit einem besonderen Hang zu hinter dem Garten sitzenden Besatzunssoldaten, noch die Siebenjährige zu würgen anfingen, noch zu munter wurden.

Über den Rückspiegel stolz die Rauchfahne des ein Benzin-Öl-Gemisch verbrennenden Zweitakters auf dem Berg nahe der Stadt, also hinter Wethau, in Richtung Autobahn betrachtend, gab Peo die Schubrakete, so wie die in Berlin geborene Fotografin Jana aus Jena, ein und raste hoch bis in die Ebene, vorbei an dem noch vollzähligen Bestand der Süßkirschenbäume, welche dem oft im „Goldenen Raben“ sitzenden Öbster gehörten. Der Baumbestand, einst in voller Blüte stehend, begeisterte Peos Frau, welche im Mai 1964 als Lehramtsanwärterin einreiste so, dass sie während des Einstellungsgespräches, den Schulleiter auf einer Leiter stehen sehend und abschätzen könnend, die Gefahr auf sich nahm, diesen eventuell ehelichen zu müssen. So kam es „denne“ auch, würde später Sohn Christian ulkend sagen. Das schlanke zwanzigjährige Mädchen wurde sesshaft und gefreit.

Die erste kleine gemeinsame Wohnung bei Schmidts in Kleinwethau, genau in der ersten Kurve am Ortsausgang zur Autobahn, genügte dem jungen Glück. Das Plumpsklo, erreichbar über den Hof, das benötigte Wasser für den Haushalt um die Ecke in Eimern holend lässt allerdings die junge Frau, im selbst gefertigten Strickkleid auf dem Brunnenrand sitzend, die Frage aufkommen, ob es das schon war?

Die gleichaltrige Schul-, Studien- und Heimatfreundin, zunächst Chefin im eigens erworbenen alten Stadtgefängnis und Lehrkraft im Ort, später Schulleiterin in Eckartsberga und in 2008 Oma von fünf Enkelkindern, tat desgleichen und so wurde Sesshaftigkeit weniger problematisch.
Die beiden Freundinnen hatten ja schon so einiges hinter sich. Als Studentinnen jobten sie in einem Hotel in Schierke, einem Harzer Urlaubsort. Ein freier Tag sollte dem Brocken gewidmet werden. Im Verlauf des 13. August 1961 wanderten sie auf dem ihnen schon bekannten Wanderweg, als sie von Grenzpolizei und Schutzpolizei aufgehalten wurden. Nach einer gründlichen Personenbefragung und Passkontrolle wurde ihnen das Weitergehen verboten. Auch wurde ihnen eine vorgefertigte Erklärung mit Unterschrift abverlangt, welche zum Ausdruck brachte, dass sie, die Siebzehnjährigen, die Deutesche Demokratische Republik, nicht über Westberlin verlassen wollen. Am Abend wurde dann über Funk und Fernsehen auch im Harzer Dörfchen bekannt, dass mit dem Bau der Mauer zwischen beiden deutschen Staaten begonnen worden war, der Brocken unpassierbar wurde.

Am Ziel angekommen wurde umarmt, gekläfft und es wurde vom Opa der alte Schwede, sprich der sechzehnjährige Christian, gefragt, wie es im gehe, während das Schwesterchen schon von Oma Trudel im Gartenhäuschen verwöhnt wurde und davor Foxterrier Tommi den Dackel begrüßte.

Die Felder waren teilweise abgeerntet und mit den Fahrrädern konnte viel Ruhe und viel Natur aufgesogen werden. Kleine Wege zwischen den Roggenfeldern nach Gallin waren noch nicht den Großflächen geopfert worden und an ihren Rändern blühten im Sommer Klatschmohn und Kornblumen. Die Elbe floss immer noch anstandslos und am Damm kaum besiedelt in Richtung Westen, Sternarmisten übten unterhalb einer Elbfähre, an welcher es heute noch Waldes Gaststätte „Zum Schiffchen“ im kleinen Ort Gallin mit Park- und Zeltplätzen, großen Tellern und kleinen Preisen gibt, das Übersetzen mit Pontons.
Auf dem Elbedamm zwischen Gallin und Mühlanger, auf und neben ihm befindet sich der Elbe-Radwanderwerg, pendelten Fußgänger und Radfahrer uneingeschränkt hin und her. Flussdampfer hupten und Störche klapperten.

Viel, viel später, am 9. Oktober saßen im Jahr 2007 die nun 88- jährige Oma und die 25- jährige Enkelin Katharina wieder bei Walde an der Elbe und ließen sich einen Stachelbeerkuchen schmecken, welcher, hergestellt nach einem Hausrezept und turmhoch, jedem Konkurrenten, auch dem „Caffee Schoppe“ aus Bad Kösen, der Heimat des Romanen, gerecht würde und jedem nur empfohlen werden kann.
Allerdings ist nun das Betreten des Damms 2008 den Erholungssuchenden durch den Betreiber verwehrt. Freiheitlich und rechtsstaatlich gestempelt und genehmigt.

Verbote hatte die Oma schon einige erlebt. So war es Anfang Januar 1945 auch der Zivilbevölkerung in Oberschlesien verboten, vor der nahenden Kriegsfront zu fliehen. Die Oma, damals noch eine junge Frau von 25 Jahren mit ihrer sechs Monate alten Tochter hörte schon den Kanonendonner. Während die einfachen Leute ausharren mussten, waren die Bonzen aus Partei und Verwaltung längst in die westliche Richtung des Deutschen Reiches aufgebrochen. Am 17. Januar 1945, es schneite und es herrschte ein milder Frost von Minus fünf Grad Celsius, erhielt die Ortspolizeistation ein Telegramm aus dem Reich, in welchem zur sofortigen Flucht aufgefordert wurde. Die jüngere Schwester Traudel, dort als Angestellte arbeitend, rannte los und benachrichtigte sowohl alle, denen sie begegnete als auch die eigenen Eltern, die Geschwister und weiteren Verwandten. Gertrud nahm den voll gepackten Kinderwagen und schob dick angekleidet mit dem Baby, den Eltern, zum Bahnhof, welcher nur zehn Minuten von der Wohnung entfernt lag. Die Wohnung in der ersten Etage gehörte einmal der jüdischen Familie Krebs, welche einen Kolonialwarenladen betrieb. Eines Tages war die Familie einfach so verschwunden. Mieter und Nachbarn hatten nichts bemerkt. Aus dem Laden wurde ein Kaffeelager. Auf dem Bahnhof also trafen sich Gertrud mit ihrem Baby Barbara, die Schwiegereltern, die Mutter von Gertrud, Traudel und Richard und die Schwägerin Anni mit dem Kleinkind Michael. Der Zug aus Beuten in Richtung Oppeln kam um ein Uhr nachts, also am 18. Januar 1945. Er war voll besetzt und alles Begleitgut musste zurückgelassen werden. So blieb auch der Kinderwagen zurück und damit auch das Bettchen für die Kleine und ein Paar Schuhe der Marke Salamander, welche die junge Frau für ihren Bruder Richard als Geschenk besorgt hatte. Was sie nicht wusste: Richard war bereits 1942 im Krieg gefallen.
Traudel musste noch bis zum Dienstschluss warten und lief dann 25 km durch Wald und Feld von Grafenweiler, über Andreashütte nach Großstrelitz, vorbei an einem der Schlachtfelder des Generals Rommel mit seinen Resten von Mensch und Material. Das war für dieses junge Mädchen von 20 Jahren sicher grauenvoll. Während der Fahrt von Breslau nach Kohlfurt saßen einige der Fliehenden, auch die junge Mutter Gertrud, auf den Puffern, die es damals noch frei zugänglich zwischen den Waggons gab. Mitreisende Soldaten waren überrascht, als sie von dem Kriegsverlauf hörten. Sie kamen vom Wintersport. In Breslau wurde der Zug nochmals gewechselt. Hier gab die junge Gertrud einer Mutter, welche ein sterbendes Baby bei sich trug, eine der zwei Büchsen Milchpulver, welche sie eigentlich selber benötigte. Der Zug fuhr ohne Fahrkartenkontrollen weiter. In der späteren Lutherstadt Wittenberg fand die Flucht am 20. Januar 1945 ihr Ende. Nur noch fünf Kilometer trennten die Vertrieben von ihren Verwandten und dem künftigen Wohnort Mühlanger. Sie besaßen nur sich selbst und ihre Reisekleidung. Die Schwägerin der jungen Frauen und gleichzeitig die Schwiegertochter der Eltern, Flora Piegsa, nahm alle in die fünf Zimmer ihres Zuhauses in der Dresdener Straße, gleich hinter der Villa, auf: die Gertrud (Trudel) mit ihrem Baby, die Waltraud (Traute), die Schwiegereltern, die Mutter von Trudel und Traute, die Schwägerin Anni mit ihrem kleinen Sohn und eine etwas früher angekommene Ostpreußin, Frau Jankowski mit ihren beiden Söhnen, 9 und 10 Jahre alt.
Die Flucht war geschafft. Bald kamen die Nachrichten über das Ausbleiben der Männer. Trudel verlor den 5 Jahre älteren Bruder. Anni den Ehemann und zwei Brüder. Nun ging es um das tägliche Brot. Mit der Zeit fanden alle eine eigene Bleibe. Heim kamen 1952 der Vater des Babys Barbara aus Amerika und aus Norwegen Floras Ehemann Alois. Es dauerte noch einige Jahre, bis Paul und Trudel ihre eigene Hausecke fanden.

An der Hausecke in der Dresdener Straße 7b blies noch immer dem alten Herrn Asten, einem sudetendeutschen Umsiedler aus den geschützten Wäldern und Hügeln kommend, jetzt als Einwohner in einer flachen windigen Landschaft vegetierend, der von ihm benannte „Scheißwind“ ins Gesicht. In dieser dörflichen Idylle störte auch nicht das Plumpsklo, der staubige und schwarz gewordene Sand, ein Überbleibsel der jahrzehntelangen Fabrikschornsteinemissionen des mit Kohle beheizten Faserwerkes Mühlanger, welcher am Abend jede Fußbetrachtung mit einem erstaunten „oha, da helfen nur Seifenwasser und Akzeptanz“ enden ließ.

Ein Tag wurde der Lutherischen Innenstadt gewidmet. Auf dem Platz an der Luthereiche gab es immer eine Parklücke. In der Collegienstraße reihte sich Geschäft an Geschäft und eine Kleinigkeit entdeckte die junge Familienmutter immer. Alle Läden waren belegt, kein Haus mit einem Schild „zu vermieten“ behangen. Auf dem Markt der Lutherstadt sah man sich früher wie heute die Hochzeitspaare an.

Genau an diesem einen Tag im Oktober 1989 hing in einem Kasten am Ende der Mittelstraße ein Hirtenbrief zur gegenwärtigen Lage im Land.
Dessen Inhalt sprach Peo sehr an. Am Ende des Nachmittags in das Urlaubsquartier zurückgekehrt, machte er sich nochmals auf die Socken und suchte einen schon bald im ganzen Land bekannt werdenden Herrn, es war Friedrich Schorlemmer aus der geistlichen Zunft, auf, welcher wohl mit unterzeichnet haben muss. Wie wäre Peo sonst auf ihn gekommen?
Noch heute, im Frühjahrjahr 2008, also 19 Jahre später, grüßen jenen die Marktfrauen hochachtungsvoll mit seinem Namen, erkennen ihn schon von weitem. So wurde es von Peos Ehefrau berichtet, welche kürzlich im Sommer 2007, nun aber nicht im Traum, neben ihm auf einer Bank saß. Ganz still und unauffällig genoss sie die Aura des rastlos Ruhenden.
Und wieder welch ein Zufall. Am 19. September im Jahre des Herrn 2008 kündigte das Regionale Tageblatt ihn und den Saxophonisten Warnfried Altmann mit einem von beiden gestalteten Lesekonzert in der Domstadt an. In der Naumburger Presse fehlte eine Reaktion dazu. Die fehlte auch beim Themenabend „Staatssicherheit“.
Nur schade, dass der Hirtenbrief nicht mehr als Zeugnis vergangenen Miteinanders im selbigen Kasten einen Ehrenplatz bekommen hat. Es stände dem Wirken der Studierenden an der „Wittenberger Theologischen Fakultät“ gut zu Gesicht, hier tätig zu werden.

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