2.2. Damen und Herren und eine Weihnachtsstory

2.2. Damen und Herren und eine Weihnachtsstory

Weshalb wohl wandte sich Peo an ihn? „So, wie das Meer dem Hungrigen meist nur einen Stein gibt, erhoffte er besseres, nicht eine Perle und nicht gesalzenen Schleim, sondern eine Seele zu finden“. Er ging also, so wie Martin Luther im Herbst 1511 von Erfurt kommend, unter durch im Laub golden gefärbte Bäume von der Stelle des Aushangs in ein altehrwürdiges Gebäude. Hat er geklingelt oder angeklopft? Der in der Stadt Luthers bekannte Pastor Friedrich Schorlemmer kam heraus und fragte nach seinem Begehr. Er hat ihn sicher mit anderen Worten begrüßt, aber sowie Peo in die räumliche oder wörtliche Nähe von Heiligenscheinen geriet, entfernt sich sein Ausdruck und das was er hörte vom Alltäglichen. Er, der Pfarrer, welcher Peo noch nicht als Berühmtheit bekannt war, fragte ihn um sein Begehren und Peo teilte ihm mit, den Aufruf gelesen zu haben und welchen Beitrag er leisten könne. Wahrscheinlich war Peo in eine wichtige Beratung hineingeraten, wie durch die kurz geöffnete Tür zu vermuten, denn der Frage nach seinem woher folgte knapp und durchaus nicht unfreundlich durch den lockig behaupteten Kirchenmann der Verweis an Frau Maria in seiner heimatlichen Domstadt.

Dadurch kam er urplötzlich in eine Gruppe von Damen und Herren, in welcher auch familiär eine ganz andere Kultur und Lebensart, als die von SED- Sozialisten geprägte, gepflegt wurde.

Die guten Sozialisten nämlich verhielten sich so, wie ein mit Funktionen von Partei und Regierung betrautes „sozialistisches Pädagogenehepaar“ des Landkreises. Dieses bekam von seinen Kolleginnen und Kollegen anlässlich eines Ehrentages eine Kostbarkeit, eine Schallplatte mit Beethovens „9. Sinfonie, ein doch wohl zu geistliches Werk für diese Parteigeister, welche im eigenen Nebel der Vorurteile umherirrten und alles, was sie nicht kannten, dem Klassenfeind, also auch der Religion, zuschrieben. So gingen sie zu ihrem Dienstvorgesetzten, dem Kreisschulrat und meldeten den Vorfall, nämlich ein solches musikalisches Werk entgegen genommen zu haben, gleichzeitig um Entschuldigung bittend.
Für Peo war dieser Vorgang nicht überraschend. Wie im Dritten Reich wurde auch hier alles als fremdartig eingestuft und ausgegrenzt, was nicht in die Ideologie passte. So konnte Peo als Jazzfreund im jugendlichen Alter nicht viel von dieser Musikrichtung erleben. Hin und wieder gab es mal einen staatlich genehmigten und zensierten Auftritt von Manfred Krug oder Satchmo (Louis Armstrong). Mitschnittgeräte waren nicht vorhanden und die wenigen Platten gingen an die privilegierten Interessierten unter dem Ladentisch weg.

Diese andersartig Kultur betreibenden Damen und Herren aus der oben genannten Gruppe standen ungeachtet der vielfältigen Gefahren, in welche sie sich begaben, schon über einen langen Zeitraum in Opposition. Sicher wurde Peo von ihnen verdeckt überprüft. Das ist ja wohl verständlich. Eine zugehörige Juristin konnte dabei wahrscheinlich hilfreich sein. Unabhängig davon haben die Mitglieder dieser Gruppe ihn direkt gefragt und befragt, erfuhren seine persönlichen Verhältnisse, seine Motive, erfuhren über seine Erfahrungen im Umgang mit Vorgesetzten, mit Heuchlern, mit Informanten, mit Parteien, gesellschaftlichen Organisationen und nahmen ihn an oder wohl auch auf? Seine Glaubwürdigkeit als nichtsozialistischer Pädagoge und als lohnendes Subjekt der Begierde hatten schon 1968 ein Schulinspektor, ein stellvertretender Schulrat und Anfang der achtziger Jahre eine stellvertretende Schulleiterin festgestellt.

In Peos Vergangenheit schien alles berechenbar.

Der politische Rahmen in dem alten System war vorgegeben und darin konnte er dienstliches, familiäres, religiöses und feierabendliches Verhalten abspielen lassen. Die Reaktionen der geliebten und ungeliebten Partner waren durchschaubar. Jeder wusste ja, dass er vom System und seinen Jüngern belogen und beobachtet wurde.

Mit vielen der neuen Mandats- und Parteibuchträger war das später unter den neuen Spielregeln des freiheitlich demokratischen Rechtssystems für ehrliche Meinungsäußerer und Frauen wie Männer des offenen Wortes, wie der Umgang mit Eisbären. Die umarmen ihre Opfer, schmiegen diese an ihr warmes Fell, lassen nach dem ersten Schrecken ein sekundenlanges Glücksgefühl aufkommen und beißen dann das Genick durch. Im Sternbild der Waage herrschten manchmal wirklich raue Sitten.

Mit dem Herbst 1989 begann der Einstieg in ein Demokratiegefüge, in welchem Peo lernen musste, dass Gerechtigkeit nicht gleich Recht ist, das freundliches Grinsen und Schulterklopfen zum professionellen Umgang erfahrener Zugereister gehören, dass abgesprochenes Durchreichen demokratisch legitimiert erscheint, das Wahlfälschung Ost und Wahlfälschung West zweierlei sind, das im wirtschaftsstarken Land, in welchem es sich durchaus gut leben lässt, auch der Umfang von Korruption, Steuerverschwendung und Amtsmissbrauch Kavaliersdelikte sind, oft sogar von denen gedeckt, welche eigentlich von Amts- und Staatswegen dagegen vorgehen sollten. Dieses werten von Recht und Unrecht haben sicher auch jene erfahren, deren Einrichtungen, wie zum Beispiel die Außenstellen von berufsbildenden Anstalten, wegfielen. Ist das etwa gerecht, wenn die einen Lehrkräfte das Haus verlieren und die anderen mit gleichwertigen Abschlüssen im Bestand bleiben? Wie geht man 1991 mit Besuchern aus dem Nachbarkreis um, die diesen Zustand beklagen?

Das alles war aber im Jahr der Euphorie noch weit weg von ihm.

Peo lebte eigentlich unter einem viel längeren oder kürzeren (?) und mehr antiweltgerechteren Namen. Im Telefonbuch finden sich dazu viele Möglichkeiten. Sie könnten von Kah über Kantor und Kirchhof bis zu Kynzelmeyer gehen und vielerlei Vornamen haben. Bleiben wir also doch der Einfachheit halber beim Kürzel Peo, für Erdenbewohner nicht so gewöhnungsbedürftig.

In der ersten Zeit der scheinbaren Gemeinsamkeiten lernte Peo auch einen sehr sympathischen süddeutschen Grundschulleiter, später in der Lach- und Krachgesellschaft wieder auftauchend, kennen. Ihn zu studieren war sehr interessant. Nach diesem und jenem Becherchen stellte sich ein gewisser Devotismus heraus, welcher nervte. Peo war nicht daran gewöhnt, ständig mit Herr Schulrat anzureden oder angeredet zu werden. So musste er sich etwas ausdenken, was nicht verletzt doch aber aufklärt. So ließ er also einen Monolog von Stapel:
„Passen se ma uff Kolleje”, sagte er, der Herr Schulrat im schönsten Hunnewietsch (Hundewethau), „mir ham das niche nedj mids die Dittel (nicht Titten sonder Titel), mir saan (wir sagen) immer jleich du“. Die kleine regionaldialektische Belehrung wurde nicht verübelt und es konnte freier miteinander umgegangen werden.

Aus dieser Sprachregion nahe der Domstadt stammen auch schriftliche mundartliche Entschuldigungen z. B. von der vielfachen Mutter und Landarbeiterin Alma an den Klassenleiter wie: „Liberrudi, benedige debum, merzienum“, will heißen: „Lieber Rudi, ich benötige die Buben, wir ziehen um“. Auch wurde geschrieben: „Lieber Lehrer, meine Tochter ist erkältet und hat’s im Hals. Bei mir krabbelts auch schon“.

Viele nette Leute aus den alten Ländern sollten nun aber nicht auf sich beziehen, was in Einzelfällen zum verallgemeinerten Begriff Wessi führte. Während der 90-Jahrfeier eines Oberlandesgerichtes zeigten sich persönliche Seiten der Damen und Herren des Hauses, die der wohlwollenden Wirkung des Eingangsbereiches mit der Kanzel und ihrer Deutungen nicht widersprachen.
Auch in der Region gab es durchaus unter den Partnern die echten, zum Beispiel einen, wenn auch oft zum akademisieren neigenden, hilfreichen Wulf, welcher am Cello korrekt die Seiten harmonisch klingen ließ, während bei Plaudereien am Table vor dem Kamin die Erläuterungen durch ausgedeutschte juristischen Vorgaben der Gesetzeswerke beim unverdorbenen Zuhörer die Harmonie zwischen Gesetz und Problemlösung nicht aufkommen ließen. Auch ein die Fraktionsabende mit seinen intellektuellen Erläuterungen belebender Volljurist Wolf aus der Generation der „Achtundsechziger“ war ein Gewinn.
Es gab und gibt eingewanderte Leute mit unentbehrlichen Erfahrungen und ohne Karrierekalkül zum Aufbau von lebendigen Partnerschaften, mit gesunden Ansichten und ihrer Mitwirkung in Vereinen, Chören, Instrumentalgruppen, Clubs und Leute zum Geschäfte machen. Natürlich haben diese auch ihr Vermögen mitgebracht und so manche Villa nicht nur bezogen sondern auch restauriert - zum Wohle des Stadtbildes, der mittelständischen Betriebe der Region und der Mieter.
Es gab und gibt auch eine blond bezopfte und uneigennützige Hobbygärtnerin, welche, die drei Kinder sind groß und die Enkel weit weg, sich aufopfernd, die sozialen Lücken der Betreuung füllte und füllt und sich um die Einvernehmlichkeit zwischen geografisch begründeten Missverständnissen kümmert. Sie könnte Almuth heißen, auf dem Stern ein gebräuchlicher Name.

Die vielen im dienstlichen sowie im privaten Umgang sich zeigenden netten und uneigennützigen Damen und Herren wurden und werden leider im Chaos der um sich greifenden sozialen Ungerechtigkeiten und einzelner Untäter überschattet. So, wie auch nur ein „kleiner Schuss Salz“ zu viel ein ganzes Gericht versaut.

Zu gerne wird dann ein Einzelfall verallgemeinert. Auch im Westen. Zum Beispiel reichte schon ein betrunkener Köllner Fußballfan, der aus Enttäuschung über seine ein Spiel verlierende Mannschaft gegen eine ostdeutsche im Mai 2007 in die Kameras des Zweiten Deutschen Fernsehens maulte, er wolle die Mauer drei mal höher haben, und damit seine freundlicher denkenden Mitbürger als Hassprediger mit verteufelte. In der Antiwelt gibt es natürlich auch immer über Gegenteiliges zu berichten. Es könnte fast schon ein Weihnachtsmärchen sein.An einem Sonnabend, elf Tage vor Heiligabend, erwachte Peo in frühester Morgenstunde aus einem Alptraum. Der recht neue PKW war demoliert. Die Kante des Kofferraumes hatte ihm trotz einer weichen Abdeckung den Transport eines 3 Meter langen Weihnachtsbaumes verübelt. Aber wie verhindert man das geträumte Unglück, wenn an diesem Samstag der Kauf selbigen Baumes vorgesehen war? Der Gedanke wurde verdrängt. Mit Seil, Decken und einem schlechten Gewissen gegenüber den amtlich bestellten Gesetzeshütern, der Baum würde ohne rote Flagge zwei Meter aus dem Kofferraum ragen und allenfalls mit einer knallroten Einkaufs-Werbetasche der Sparkasse Burgenlandkreis markiert sein, wurden Händler abgeklappert. Bäume größer als zwei Meter „ham wa nich“. Am Kauflandmarkt wurden wir fündig. Der Verkäufer mit dem Bottroper Dialekt stellte uns einen frisch geernteten Traumbaum aus Thüringen vor. Der Handel wurde geschlossen und nun standen Gemahlin und Peo da. Was tun? Natürlich kann man einen Baum mit dem Fahrrad, dem Schlitten, der Taxe zum Heim am Stadtrand transportieren, es sollte aber nicht dazu kommen. Der Verkäufer sah Peos ratloses Gesicht, erkannte die Schieflage und hielt ihm seinen Transporterschlüssel hin, nahm die Einladung seiner Frau zu einem gemeinsamen Kaffee- und Plauderstündchen in dem Kaufland-Kaffee-Eck an und verschwand Arm in Arm mit ihr. Nur Automatik gewöhnt fuhr Peo, den Baum auf der Ladefläche, mit der Knüppelschaltung los. LKW war er vor fünfzig Jahren in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft gefahren. Die kleine Reise verlief trotzdem ohne Zwischenfälle. Weihnachtszeit eben. Auch der Ring am Schaltknüppel, um den Rückwärtsgang einzulegen, der Baum kam in einer Sackgasse an, war bald gefunden. Wieder zurück beim freundlichen Mitbürger, dem Rheinländer, eingeparkt, konnte Peo feststellen: „Weihnachtsengel können auch aus dem Ruhrpott stammen“.

Jetzt kann auch einmal angedeutet werden, dass Peo oft so klar in seinen Träumen sah, dass der Leser den Eindruck bekommen könnte, er habe ein reines Erlebniswerk vor sich. Der Leser darf das denken.

Peo wird erst 1994, nach den Zeiten der Euphorie, in einer Kandidatenwahl erleben, wie Kontrahenten, vorher Gift und Galle wegen des Kreisstadtstatus für eine der zwei in Frage kommenden Städte, zusammenspielen, wenn es um einfache Kreistagsmandate geht. Händel, der zurück gekehrte Mitteldeutsche aus dem Ländle, begrüßte ihn schon am Eingang mit den Worten „Sie auch hier“ und war sich sicher, den Konkurrenten zu verunsichern. Gleich danach bekam das Wahlvolk die Lebensläufe der Kandidaten. Der von Peo war aussortiert, also nicht dabei. Dieser musste sich nun zu Wort melden, sein Originalexemplar zum Kopieren geben und in Kauf nehmen, dass der Wahlvorgang sich verzögern würde. Ein übles Omen für das anwesende Wahlvolk, denn alle wollten nach Hause und würden ihn abstrafen. In dieser Zwangspause liefen Parteimitglieder und auch Ehefrauen von Tisch zu Tisch und flüsterten dem Wahlvolk Empfehlungen zu. Diese Leute erwiesen ihrem christlichen Attribut im Parteinamen alle Ehre und degradierten den offenen Raum zur „diffamierenden Flüsterbude“.

Respekt, Respekt.
Im Jahr 1994 wurde damit der Begriff „Flüsterbude“ vorbereitet, den Jugendliche im Jahr 2004 in ihr Umgangsvokabular als Pseudonym für Kirche aufgenommen haben, so wie auch die Apothekenzeitung nun „Rentner- Bravo“ betitelt wird. Die Leser dieses Blattes haben zwar ein geregeltes Einkommen aber Mühe zu verstehen, wie man mit einer Studentengurke nach Münzmallorca cruisen, also mit dem Fahrrad in das Solarium kommen kann.

Zum aktuellen Zeitpunkt der Wahl der Kandidaten kam Peo das alles nicht ganz so lustig vor, aber schon bald erleichterte ihn der Gedanke, sich aus dem Spiel heruntergebogener christlicher Demokraten verabschiedet zu haben. Zu den heruntergebogenen sollte man auch jene zählen, welche unter dem Scheinargument ihrer schwarzen Seelen, Schulen in Afrika zu unterstützen ganz vergessen, dass in ihrer Heimatstadt jedes dritte Kind unter Armut leidet und für eine regelmäßige Mittagsmahlzeit dankbar wäre. Diesen zu Helfen brächte natürlich Verzicht auf Flugreisen mit sich und keine Streicheleinheiten des persönlichen Geltungsbedürfnis.

Das Gremium auf erhöhtem Podium, ein mit Hubschrauber eingeflogener dauergrinsender Landesvater klavierspielender Töchter, drei Landräte, ein Landesparteigeschäftsführer, der 2010 immer noch einfädelt, sahen dem Treiben zu. Da aber nun an fünfzehnter Stelle doch noch ein Mandat für Peo heraussprang, wurde kurzerhand von Händel vorgetragen, dass 14 Kandidaten pro Liste genügten. Die einfache und ermüdete Mehrheit hob die Hand und Peo war im Jahr 1994 raus.“

Seit Jahrzehnten ein immer wiederkehrendes Ritual. Wie sonst wäre es möglich, dass von den Laternenmasten und Litfasssäulen unter den Ehrenwerten und auch verdienten Wahlsiegern zu viele von den immer gleichen Kandidaten dem Volk in die vorbeifahrenden Kraftfahrzeuge schauen? Oft korrumpiert, überführt, aber nicht älter werdende Gebisse zeigend? Immer mit sicheren vorderen Listenplätzen? Ähnlich ging es mit der Weichenstellung bei der Ortsoberhauptwahl. Ein Konkurrent, damit eventuell eine Stichwahl? Gott bewahre. Die Rotdemokraten sahen es genau so. Sie schleppten 1994 auch einen Süddeutschen oder so etwas Ähnliches ins Land, radebrechend und seiner Erstfrau samt Kindern abschwörend, sprich sich entledigend. Das gab er unter der Hand bekannt, um seine Sesshaftigkeit nach bestandener Wahl glaubwürdig werden zu lassen. Der schaffte natürlich nicht das Planziel, auch nicht mit Einzelbewerber Peos vierzehn dazugerechneten Prozent, verschwand in seine Luxusheimat und ward von der SPD nicht mehr gesehen.

Erstfrau? Hat sich das Modell des Wechsels bewährt und bringt es nur dem betroffenen Paar erträumte Freiheiten oder auch dem Wahlvolk nutzen? Schadet das Modell „hier treusorgende Ehefrau und dort scharfe Geliebte“ als einfache Variante nur, wenn es die Öffentlichkeit wahrnehmen muss? Hier sollte die Statistik greifen und ein Wissenschaftler die Beweggründe der Klientel beleuchten. Hemmen Erstfrauen die männliche Entwicklung? Ein Thema auch für außerirdische Sozialkundestudenten, für Gleichstellungsbeauftragte, Heiratsvermittler und Trauende.

Und dann könnte auch gleich der Begriff „Christliches Verhalten“ thematisiert werden. An lohnenden Beispielen fehlt es nicht.
Peo säuberte eines Sonntags im Steingarten vor dem Haus einige Pflanzenpolster. Da ging am Haus ein Bürgermeister mit seiner noch nicht angetrauten Haus-, Hof- und Bettgefährtin vorbei und meinte: „Aber, aber. Arbeiten am heiligen Sonntag?“ Peo war nicht schlagfertig genug. Hinterher aber machte er sich so einige Gedanken. „Ich bin also kein guter Christ. Muss ich ja auch nicht sein, denn Mitglied der Kirche bin ich nicht. Ist der ein besserer Christ, der nach dem Kirchgang am Heiligen Sonntag mit seinen Getreuen am Stamm- oder Mittagstisch bespricht, wie man Wahlen fälschen könnte, wie man unfolgsame Parteikollegen, Staatsanwälte oder Richter beeinflusst oder zur Strecke bringt? Wie man einen evangelischen Pfarrer dazu bringt, ihn im Garten um Mitternacht ohne vorgeschriebenes Aufgebot zu trauen?. Und überhaupt. Hat dieses Stadtoberhaupt nicht mitbekommen, dass hier in der Antiwelt gottgefälliges Verhalten anders bewertet wird? Oder ist er nur ein Wurm, ein Erdenbürger also?“
Wie ist Peo?
Leicht erschöpft nach so mancher Aktion vor seinem Wäldchen im sommerlichen Garten oder hinter der Scheibe stürmische Winterwipfel betrachtend rauschte es plötzlich geheimnisvoll im Fichtengrün und aus dem Gezweig bildete sich ein faszinierendes zugewuchertes Antlitz, welches im tiefsten und nachhallenden Ton ihm zurief: „ Peooo, gehe in dich und nicht auf den anderen. Du hast doch auch in deiner Rolle das plötzliche „Öffentlichsein“ als angenehmen Kitzel empfunden. Du gingest mit zwei eleganten Aachener Damen, von einem Notar kommend, welchem eine Kiste neues Recht und neue juristische Literatur überreicht wurde, über den Markt und die Damen staunten, dass dich jeder und jede zweite grüßte oder dir freundlich zuwinkte“.

Fast aus dem leichten Schlummer erwacht, aber immer noch traumatisiert, versuchte Peo, sich zu rechtfertigen.
„Das stimmt, doch ich zog eine Schamgrenze und empfand zum Beispiel die Verhinderung einer geheimen Abstimmung genau so beschämend, wie die in die Ecken der Wahllokale der alten Republik gedrückten Wahlkabinen und handelte dagegen. Du alter Fichtengreis hast aus der Entfernung in den Wipfeln gut reden.“

„Weißt du, wie viel Überwindung es kostet, in einer parteiinternen Abstimmung durchzusetzen, dass jeder Wahlberechtigte seinen Willen kundgibt, ohne der optischen Kontrolle und der späteren Maßregelung ausgesetzt zu sein?“.

„Was haaaat dennn daaas mit dem Kitzel zu tun?“ höhnte es, nun aber immer leiser werdend, zurück.

Es war zu merken, dass dem sich leicht wiegenden Baumgesicht ein wenig der Gedanke von der Redlichkeit der Absicht vieler Gestaltungswilliger, eine neue Form des Anstands in einer verfestigten Demokratie zu gestalten, überzeugte oder der Schlummer sich seinem Ende näherte? Diese neue immer wieder einmal versuchte Form des politischen Anstands sollte noch einmal in dem Versuch, eine gegründete Partei aufzubauen, eine Rolle spielen. Diese APD, die Angleichende Partei Deutschlands, im Jahr zweitausendzwei ordentlich angemeldet und eingetragen, scheiterte nicht an ihren Postulaten und am zustimmenden Willen der Massen, sondern am Misstrauen der immer wieder von Parteien enttäuschten Massen. Im Kapitel mit den fünf Parteien wird noch etwas mehr, aber nicht viel mehr darüber zu erfahren sein.

Einem weniger höhnischen Gelächter folgte dann nur noch ganz leise geflüstert: „Und wo sind die Willigen alle? Trocken gestellt? In den Jahren vergreist? Verhändelt?“ Zum 20. Jahrestag der Partnerschaftsvereinbarung im September 2008 in Aachen war niemand von ihnen zu sehen und zu hören.

Verhändelt? Wer ist Händel? Einen Moment bitte.

Und wieder war es ein ausgesprochen warmer Tag, nun aber im Frühjahr des Wendejahres 1990 einer zerfallenden Republik, die sich einer „stabileren“ anschloss, welche als großes Land aus lauter kleinen Ländern bestand. Einige davon waren nicht nur klein, sondern auch wohlgefällig. Ländle einer nicht zerfallenden Republik eben. In einem der kleinen Länder der „zerfallenden“ Republik nun hingegen gingen diesem Tag viele freudige Ereignisse voraus. Die erste Demonstration mutiger und ängstlicher, mit Herzklopfen und Übermut, mit Bangigkeit und Forschheit ausgestatteter Bürger von jung bis alt, der erste Besuch der Dienststelle „Ministerium für des Planeten Staatssicherheit“, die erste Kundgebung wagender und wogender Bürger und vieles mehr.

Noch ahnte kaum jemand, dass der Euphorie der Befreiung vom ideologischen Joch bald schmerzliche Erfahrungen folgen würden, welche nicht nur in den nächsten 5 Jahren wirkten, sondern welche über Jahrzehnte das Volk begleiten werden, immer wieder hochgeschaukelt von einigen unfähigen und unglaubwürdigen Politikern und Wirtschaftskriminellen.
Die duldeten als ihre Weggefährten die Massenarbeitslosigkeit, den industriellen Kahlschlag, die Fehlspekulationen der Banken, den sozialen Abstieg vieler Mitbürger, die Kinderfeindlichkeit, die Entsolidarisierung der Gesellschaft, trieben miteinander und gegeneinander Parteienpolitik zum Selbsterhalt und ruinierten so ganz nebenbei auch noch die Bildungslandschaft.

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