5.2.11 Sich selber treu bleiben

5.2.11 Sich selber treu bleiben

Peo erinnert sich noch an die Zeit, in welcher er ehrlich geglaubt hatte, im Verein mit anderen Idealisten, daherkommend als jung und alt, aus jungen und alten politischen Bindungen, in Fraktionen zusammenfindend, die Zustände in einer schwarzen Partei, deren Verruf immer offensichtlicher wurde, verändern zu können. Das Erwachen war böse, die Ernüchterung plötzlich. Im Kampf geschlagen zu werden hatte er immer ertragen. Nun aber feststellen zu müssen, immer mehr in das eingebunden zu werden, gegen das er Tatkraft und Intelligenz einsetzend mit Lust gerungen hatte, ließ ihn Zarathustras Rundgesang begreifen:

Oh Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
„Ich schlief, ich schlief -,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -
Die Welt ist tief,
und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Lust- tiefer noch als Herzeleid:
Weh sprich: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
-will tiefe, tiefe Ewigkeit!“

Was auch immer der gepriesene und gescholtene Philosoph damit ausdrücken wollte, Peo fasste die Lust sauber zu leben höher, als den Beziehungssumpf und ist höchst zufrieden mit der ihm gegebenen Möglichkeit, gelassen und amüsiert das Regionaltheater zu betrachten, im Jahr 2003 die Altersrente erreicht zu haben.

Hätte nicht auch der Bürgerrechtler Martin Luther King ein hohes Alter verdient? Dieser und sein trauriges Ende fiel Peo spontan ein, weil es einmal eine Begebenheit der besonderen Art gab und nicht, um sich mit ihm zu vergleichen.
Es war im Januar des Jahres 1991. Einige Genossen des Zentralrates der Freien Deutschen Jugend der Deutschen Demokratischen Republik hatten den Zahn der Zeit erkannt, gründeten flugs eine Reisegesellschaft, nutzten ihre englischsprachigen Kenntnisse und die ehemals offiziellen Kontakte aus und boten günstige und sehr lobenswert betreute Studienreisen an. Genehmigt von den zuständigen Ministerien versammelten sich fast alle neuen Schulräte aus allen fünf neuen Bundesländern in einem Luftfahrzeug.
Nur bei einem bemerkte die Eincheckkontrolle in Berlin/ Tegel die Ungültigkeit seiner Papiere und schickte ihn wieder heim. Na ja, die Zeitzer, würde ein Naumburger sagen.
Mit einer vom Bullauge aus sehr fragwürdig rostig erscheinenden und unter dem Sitz polternden lauten hydraulischen Mechanik zur Veränderung der Steuerklappen an den Flügeln ging es über Amsterdam, New York und Chikago nach Minneapolis im Bundesstaat Minnesota. Dazwischen lagen der Broadway, das Stuyvesant- Gymnasium, die Freiheitsstatue, das Empire State Building, noch die Zwillingstürme, Manhattan und in Mauernischen erbarmungswürdige, mit Zeitungen bedeckte Obdachlose.
Peos Quartiergeber in Minneapolis waren ein aus München ausgewanderter Professor, welcher sich mit der Wiederverwendung von Altreifen befasste, seine englische Gemahlin, zwei aufgenommene philippinische Kinder, ein undefinierbarer ungefährlicher Hund, eine Katze und ein Husky, vor welchem man, ausdrücklich hingewiesen, die Türe verschlossen halten sollte. Alle Türen standen aber, warum auch immer, zu mitternächtlicher Stunde auf und so kam, was kommen musste. In der ersten Nacht, „der Mond schien helle“ erwachte Peo, auf der Seite liegend und erstarrte vor Schreck. Gesicht an Gesicht schaute ihn bewegungslos und mit fahlem Licht besonders eindrucksvoll beleuchtet der silbrige Kopf des Hysky mit seinen schimmernden Augen an. Obwohl Peo ein Kinderbett frei geräumt worden war und der Hysky ihn bestimmt nicht als kleine Philippinin anerkannte, endete die Angelegenheit freundschaftlich.
Der Höhepunkt aber war der Besuch eines Gottesdienstes in einer Kirche der dort lebenden Glaubensgemeinschaft. Geehrt wurde an diesem 20. Januar 1992 Martin Luther King. Die festlich gekleidete Familie und Peo nahmen weit vorne Platz. Ein großer, mit vielen Überkleidern ausgestatteter und auch beleibter Geistlicher sprach ein Gebet und muss wohl auf eine Botschaft an seine Gemeinde hin gearbeitet haben, welche die dunkelhäutigen Anwesenden sehr bewegte. Denn hin und wieder gab es von diesen, überwiegend aus Frauen bestehend, Zurufe die sich steigerten. Peo, keines Englisch mächtig, ahnte nur, was vorging.
Mit einem monotonen Vortrag beginnend wurde immer mehr Temperament, immer mehr Bewegung, immer mehr Lautstärke eingebracht und bald raste und schäumte, alle riss es von ihren Sitzen, eine swingende rhythmusbetonte sakrale Musik durch den Raum. Peo erlebte unvorbereitet und erstmalig eine mit Gesang ausgedrückte Botschaft des Evangeliums zu Ehren Martin Luther Kings.

Peo beherrscht weder die Spirituals noch die daraus entstandenen swingenden Gospel-Songs. Doch beeindruckt von dieser Eindringlichkeit einer Gruppe gläubiger Menschen ruhte in ihm über viele Jahre der Drang, auch eine Botschaft verkünden zu müssen, welche nun formuliert lautet:



Merke:
Peos persönliche Zurückhaltung ist für ein Streben in der politischen Gesellschaft ein untaugliches Beispiel.
Oder hat er nur zu spät mit dem Hauen und Stechen angefangen?

Händels Wahrnehmung von Rechten und Pflichten ist auf persönliche Macht konzentriert, erschüttert die Rechte anderer, auch die von Adligen.
Oder wurde er dazu erzogen, wer hat ihn dazu erzogen?

Leser, willst du Recht und Pflicht im Gleichgewicht halten, brauchst du „viel guten Willen und sehr viel sehr guten Geist“ (Fr. N.).
Oder „du musst ein Schwein sein“ singen die Prinzen, eine Sängergruppe, entstanden aus den „Thomanern“, dem weltberühmten Knabenchor.

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