5.2.7. Vom "Spiegel" und anderen Schauergeschichte

5.2.7. Vom „Spiegel“ und anderen Schauergeschichten

Während der Rückreise von der Amtseinführung seines Halbbruders am 06. Juni 1986 hatte Peo Herrn Rossmann, dem Gründer vieler Drogeriefilialen erst drüben und dann hüben wenigsten einmal etwas voraus.
Er bekam auf dem Koppelsberg in Schleswig-Holstein einen Spiegel, jawohl den Spiegel, vom Halbbruder Erich geschenkt. Wie leichtsinnig war er wohl, diesen, in der Annahme, nicht entdeckt zu werden, im Reisekoffer zu verstauen.
Im blau- weiß gestreiften Shirt und noch nicht den Altersrentnern ähnelnd, wurde er prompt herausgefischt. Sortiert, wie sonst nur bei Aschenputtel, kamen die einen hinter das Wartegitter und die anderen in die Kontrollbaracke. „Öffnen Sie bitte Ihren Koffer, sagte eine uniformierte Dame mit einem Pickel barsch“. In dem Moment viel Peo ein Witz ein, den ein bekannter Moderator des westlich gelegenen Küstensenders NDR, ein Herr von Tiedemann, der mit dem Schnauzbart, in den siebziger Jahren über den Äther schickte:
„Der Fuchs sprach zum Karnickel, was hast’n da für’n Pickel, da sprach der Hase barsch, das ist mein Kopf du Arsch“.

Die Dame mit dem Pickel hob zuerst einen ordentlich zusammengelegten leeren und etwas verschlissenen, aus groben grünem Stoff bestehenden Rucksack an, dann die darunter befindliche Wäsche und weitere textile Mitbringsel. „Bitte schließen Sie das Gepäckstück und begeben Sie Sich in den Wartebereich“. Während der Heimfahrt herrschte, wie Tage zuvor auf der Hinfahrt zur Grenze, betretenes Schweigen. Auch er, ein mitteilsamer Mensch, konnte sich ausnahmsweise beherrschen und auf einen Erfahrungsaustausch verzichten, gab nicht weiter, dass der Spiegel im zusammengelegten und absichtlich im Koffer oben abgelegten Rucksack nicht entdeckt wurde, so dass „Horch und Guck“ keinen Anlass gehabt haben dürfte, etwas Verdächtiges zu melden.

Während seines Aufenthaltes in Plön bekam er Gelegenheit, an der innerdeutschen Grenze, nun aber auf der Westseite des Priwalls, entlang zu wandern. Genau dort, wo er einst vor dreißig Jahren Pferde einfing führte ihn sein ans Herz gewachsener Halbbruder, der gerade erst in ein Amt geweihte Pfarrer auf dem Koppelsberg. Begeistert von der Möglichkeit, das zu dokumentieren, zückte Peo die Praktika FX 2, nicht mehr die Pouva, gegen heutige Geräte ein Riesenmonstrum, welches auch prompt die wachenden Grenzer dazu verleitete, sich schleunigst unkenntlich zu machen, sich hinter Gesträuch zurück zu ziehen. Ja, Dienstvorschriften waren eben einzuhalten.
Das war auch so, als er 1958 mit einem Kofferradio, bäuchlings um den Hals hängend, die Antenne ausgefahren, durch das Pötenitzer Wick kommend, am Strand in Richtung Grenze spazieren ging. Vom Beobachtungsstand aus erspäht, wurde zum Grenzkommandanten Meldung gemacht: „Verdächtiges Individuum mit Funkgerät bewegt sich auf die Grenze zu“. Der Röhrenempfänger Sylvia, ausgerüstet mit einer handtellergroßen Batterie und ausgezogener Antenne, machte natürlich Eindruck und bald schon erklang aus einem Gebüsch heraus der Befehl „Halt, stehen bleiben ...“.
Die drei Grenzer umstellten ihn mit gezogener Waffe und nahmen ihn fest. Seine Erläuterung, hier wohnhaft zu sein und die Berechtigung für den fünf Kilometer und fünfhundert Meter Grenzbereich zu haben, fruchtete nicht. Erst der Pferdefreund und gleichzeitige Kommandochef der Pötenitzer Kaserne konnte den Fall lösen.

Mit diesen und ähnlichen Geschichten hat Peo oft die großen Schüler gebannt, so dass er schon Gefahr lief, als Märchenerzähler mehr für Unterhaltung zu sorgen, denn als Lehrstoffvermittler. Die Schüler nahmen diese Geschichten mit einem Tonband auf und spielten sie in naiver Freude anderen vor. Eine Kollegin aus dem sprachlichen Zweig zeigte sich sehr besorgt und meinte, er würde Kopf und Kragen riskieren. Dafür vielen Dank, Genossin Parteibeitragskassiererin. Sie hatte wohl nicht, wie oben schon einmal erwähnt, mit seinem Schutzengel gerechnet.

Auch diese Dame, Frau Claus, und ihr Amt sind eine Zeile wert. Sie kassierte einmal im Monat im Lehrerzimmer die Parteibeiträge. Es war ein köstlicher Moment, wenn die Nichtgenossen ansehen konnten, wie widerwillig einige die nicht unbeträchtlichen Beträge abgaben. Körperhaltung und Mimik sprachen Bände. Peo konnte das nachvollziehen, denn es war vorgekommen, dass der „Erste Sekretär der Kreisleitung der Sozialistischen Einheitsparte Deutschlands“ die Mitgliedsbeiträge veruntreute und für die Einzahler war es kein Trost zu wissen, dass er als Parteisekretär nach LEUNA, in einen Chemiebetrieb, versetzt wurde, der Partei weiter treu dienend.

Die Schülerinnen und Schüler der alten Republik genossen den Wert der polytechnischen Oberschulen in vollen Zügen. Das wird kein glorifizierter Nachruf, doch steht fest, das die untergegangene Schule naturwissenschaftlich, künstlerisch, mathematisch dem föderalistischen Durcheinander Paroli bieten könnte. Der Unterricht machte meistens Freude. Nach acht Wochen Schulferien sehnten sie sich genauso zum weiteren miteinander, wie ihre Lehrerinnen und Lehrer.

Trotzdem kam doch aber tatsächlich einmal ein Schüler der sagen wir achten Klasse zu spät. Mit einem verstohlenen Blick nahm die Lehrkraft wahr, dass etwas Abwechslung Not tat. Im tiefsten Brustton, bei welchem sich die Schülerschaft automatisch senkrecht setzte, hieß es „Herein“. Alles schaute verstohlen nach unten, aber die Augen blitzten. Die Lehrkraft ging auf den gut ernährten und aufgeschossenen Knaben zu und ergriff seine Jacketthälften. „Warum...? Woher...? Wieso...? Dabei schaukelte der Knabe, nennen wir ihn Ronald Frohn, den späteren Literaten, willig, nur gut dass er nicht anders wollte, gegen den hinter ihm befindlichen riesigen Holzschrank, gefüllt mit locker stehenden Kolben, Röhrchen und Schalen des Schulchemikers. „Viel Lärm um Nichts“ nach Shakespeares Schauspiel wurde wirkungsvoll vorgeführt. Der Schüler spielte den begossenen Pudel und verzog sich in seine Bank, die Lehrkraft sich hinter den Tisch des Chemikers. Dieser wunderte sich Tage später über die Unordnung in seiner Unterrichtsmittelsammlung. Einen solchen billigen Spaß fanden die Schüler ganz lustig, besonders in der nächsten Chemiestunde beim Öffnen des Riesen.
Hin und wieder half auch eine Brille über die Unbilden des Tages. Sie war schief, unförmig und demolierte die Sehschärfe. Sie verdankte ihre Entstehung der wirtschaftlichen Schwäche im Arbeiter- und Bauernstaat, verbunden mit der Unantastbarkeit einiger Mitbürger, man kann es auch fehlende Rechtlosigkeit der werktätigen Massen nennen, geschehen im Jahr 1968. „Peo brauchte eine Brille und ging in die Praxis eines Augenarztehepaares in der Grochlitzer Straße, damals gleich neben der Poliklinik. Der männliche Teil dieses Pärchens untersuchte, der weiblich Teil verschrieb das Sehgerät. Auf die Bemerkung des Patienten, er sehe mit den Probiergläsern alles unscharf, meinte die Ärztin, das verändere sich positiv im Verlauf des Alterns. Ein Widerspruch wurde nicht akzeptiert.
Beim Augenoptiker Riechard, damals gleich an der Ecke neben der Alten Schmiede, heute befindet sich dort ein Friseursalon, nahm die angestellte junge Optikerin Maß. Die wenigen Modelle wurden probiert, doch keines passte. Die Bügel waren alle zu kurz. Die Optikerin stellte fest, dass die Bügel nicht zu kurz seien, sondern der Schädel Peos zu lang sei. Eine Anleitung, wie man seinen Schädel der Brille anpasst, wurde nicht gegeben. So liegt das nie benutzte Stück nutzlos herum und wurde hin und wieder zur Belustigung der Schüler und Gäste aufgesetzt.
Im Jahr 2009 sind Umfang und Form sogar wieder modern geworden und befinden sich in den Auslagen im Angebot.

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