3.4. Kriegserklärungen, Schulen, Bälle und Investo
Händel also beobachtete die Vorgänge im Land verwundert, teils bestaunend, nicht sehr optimistisch und keinesfalls aktiv. Der Schießbefehl der Nochregierung gegen Aufruhr und allzu gewaltiges Freiheitsstreben schwebte ja im Herbst 1989 noch über allen Häuptern. Bald aber, als die Luft rein wurde, kamen die sich schon immer klug dünkenden und clever verhaltenden Einheitsfarbenen aus ihren Verstecken und besiedelten unauffällig die aus signalrot, grün, braun und gelb entstandenen weißen Flecken in Politik und Verwaltung, in den Rathäusern und Bezirksverwaltungen. Die Könner und Supercleveren von drüben vereinigten sich mit den Eingefuchsten in der Freihandelszone Ost, gründeten in dem kleinen Städtchen auch Firmen und trugen dabei nicht unwesentlich zur Arbeitsbeschaffung bei.
Der Wessi Händel aber sammelte sofort die alten schwarzen und grünen Blockfreunde aus der DDR ein und besetzte mit ihnen den politischen Raum. Die ehrlich um soziale Gerechtigkeit und um eine saubere Aufarbeitung der jüngsten Geschichte bemühten Streiter wurden still gelegt, das heißt die Friedfertigkeit und bald einsetzende Unbekümmertheit der Öffentlichkeit gab natürlich den Auswüchsen Gelegenheit, über sich selbst zu wachsen.
Auch eine Staatsanwältin der alten Republik, nachweislich an Unrechtsurteilen beteiligt, ehrgeiziger als die Verfolgten und immer noch altlastig motiviert, sitzt nun im Landesparlament und begutachtet 2007 in einem Ausschuss das politische Unrecht und die Täter.
Ohne dieser Dame aber auch nur ein Quäntchen Zustimmung zukommen zu lassen, lässt es sich nicht vermeiden zu betonen, dass die neue Gesellschaft aus der politischen Willkür in die Willkür der Geschäftemacher führte, welche aus berufenem Munde eines hellroten Ministers dass Qualitätssiegel „Heuschrecken“ erhielt. Er vergaß nur, sich selbst einzubeziehen. Diese menschlichen Abnormen zerstückeln sanierungsfähige Betriebe und Gesellschaften, lassen unverdauliches mit allem Personal fallen und laben sich am Filetstück. Und trotzdem existiert die Gesellschaft immer noch im Wohlstand, gemessen am Leben der Anderen in anderen Ländern.
Den Auswüchsen nicht folgend wuchsen doch auch Friedfertige über sich hinaus, schon auch knallharte Geschäftsleute, aber mit Prägungen des mitteleuropäischen Humanismus.
Ein Einheimischer, wie zum Beispiel ein Bergmann mit Namen, schlug mit hohem Risiko in einer „Alten Schmiede“ Nägel mit Köpfen ein. Seine erfolgreichen Bemühungen wurden im Jahr 2007 gekrönt. Ein reicher Getränkefabrikant Christian, in der Namensmythologie der Friedliche gedeutet, kaufte ihm die Lebenslast ab und erweiterte zur Freude der die Steuern zahlenden städtischen Bürger die von den Gemeinderäten gebilligte Steuerfalle, das „Haus Naumburg“, auch Händels Großmachtbestrebungsruine genannt, in ein Drei-Sterne-Hotel um. Die um die neunziger Jahre mächtigen Entscheidungsträger des regionalen öffentlichen Geldinstitutes hatten Händels Druck geschluckt und ihre Sparer mit dem Bau dieses „Monuments zur Selbstdarstellung“ belastet. Die durch die Zusammenlegung der Kreise als ein Ergebnis der angeordneten Verwaltungsreform des Landes neuen Geschäftsführer werden aufgeatmet haben und könnten nun sicher die Kontoführungsgebühren fallen lassen. Es ist hoffentlich durch die Fusion der Geldhäuser in 2007/2008 und die Vermischung der eingefahrenen Spitzen zu erwarten, dass diese nun nicht wieder zu neuen Fehlleistungen aufbrechen.
Im Jahr 2010 erwies sich aber diese Hoffnung als trügerisch. Die Redlichkeit der Vorstände ging unter in dem Gefeilsche um Anstellungen. Auch gezielte Verleumdungen sollten so manchen Platz freischaufeln, um die an den Vorstand gebundenen Personen unterzubringen.
Es ist auch zu hoffen, dass die von Gerd Bergmann im Jahr 1993 eigenhändig gepflanzte Eiche, nun schon achtzehn Jahre jung, weiter gehegt und gepflegt wird, als ein Denkmal für Redlichkeit, Gründermut, Gründlichkeit, Kraft und Langlebigkeit im Stadtbild stehend.
Die vor der politischen Wende existierende „Gaststätte zur Post“, die Vorgängerin des Stadthauses, hatte eine bewegte Vergangenheit.
Eine achte Jungenklasse der Georgenschule und eine Mädchenklasse der Marienschule feierten 1951 ihren Klassenfasching und kamen sich dabei näher. Auf dem Heimweg brachte die Achtklässlerin, welche sich Peo auserkoren hatte, diesem bei, dass man eine Dame immer auf ihrer linken Seite zu begleiten hat.
Elnige Jahre später, so im Herbst um 1962, Peo war gerade als Lehramtsanwärter im kleinen Nachbardorf Wethau tätig, wurde er zum Vorsitzenden der Jugendgruppe der Freien Deutschen Gewerkschaft, des FDGB, gewählt. Ahnungslos, welche politischen Weichenstellungen und welcher parteipolitische Missbrauch dahinter steckten und voller Elan beschlossen die jungen Leute, die Langeweile der eingefahrenen Pädagogen zu vertreiben und richteten so um 1963 einen „Lehrerball“, den ersten, aus.
Die Bühne war mit großblättrigen Kübelpflanzen, Asparagus und vielen Alpenveilchen der Stadtgärtnerei unter der Leitung des damaligen Stadtgärtners Friedrich Mertens, herrlich geschmückt. Die Tische wurden zeitgemäß freundlich hergerichtet und die bald zahlreich erscheinenden Paare genossen die Tanzmelodien der original auftretenden Kapelle. Erika Spengler, Helga Daumann, Peo und weitere Organisatoren sonnten sich glücklich in den Lobeshymnen der Anwesenden. Da erschien ihnen eine kleine Entgleisung einiger Besucher auch nicht tragisch. Diese nahmen am Ende des Festabends einige Töpfchen der Alpenveilchen mit. Damit die kleinen nicht frieren, Frost gab es aber noch nicht, hüteten sie die Blümchen unter dem Mantel, nicht ahnend, dass man vom köstlichen Abendbrot so schnell nicht einen auffallenden Umfang bekommen konnte. Der Bitte Peos, der die ausgeliehene Dekoration wieder vollständig der Stadtgärtnerei zurückgeben wollte, kamen die wenigen verirrten Schafe, es waren auch Genossen darunter, gerne nach. Gemessen an den späteren Finanzvergehen Händels wie überzogene Abwassereinrichtungen, unangemessenen Dienstwagengröße, Haus Naumburg, die in der neuen Gesellschaft auch Kavaliersdelikte genannt werden, ein Lapsus. Leider wurde der Lehrerball keine Tradition.
Nach der Wende bemächtigten sich Ladenketten der Räumlichkeiten und so mancher, auch Peo und seine Familie, reihten sich in die erste Käuferschlange ein, um Deichmannschuhe zu erwerben.
Ein weiterer Unternehmer bemühte sich, aus einer staubigen Ecke eine „Grüne Pforte“ zu machen. Der Erfolg war und ist sichtbar, zur Mittagszeit riechbar. Es ist die Stätte, in welcher der Westerwald eine Rolle spielte. Die im Jahr 2008 laufende Straßensanierung brachte noch einmal schwere Zeiten für die anliegenden Unternehmen. Gesperrte Zugänge, Lärm, Schlamm und Planungsfehler im Rohr- und Kabelsystem waren zu ertragen.
Ein neuer Heiland ließ auch ganz schnell nach der „Wende“ keinen Staub unter den alten Sofas aufkommen, weil seine Geschäftsidee der Handel mit neuen Garnituren und Möbeln war. Er besaß natürlich schon noch einige Voraussetzungen wie Ländereien, welche nicht jedem in die Wiege gelegt worden waren.
Peo zum Beispiel konnte mit „Einhunderttausend Deutschen Mark“ nichts anfangen, während mit weniger Kapital ein mutiger Schritt und Selbstvertrauen dafür sorgten, dass es bei Hempels „über den Sofas“ neueste Kollektionen in bester Qualität in einer modernen Verkaufskultur nicht nur zum Betrachten gab.
Auch ein Herr Ernst machte mit Holz und der Firma Ernst in Zeitz ernst und setzte gleich noch einen Ableger in die Moritzwiesen.
Handwerkerbetriebe wie die der Tischlerei Jens Specht im Neuen Steinweg beziehen hoffentlich genügend brauchbares Holz dort her, aus welchem der Meister Möbel nach Maß anfertigt, restauriert, Innenausbauten vornimmt, Tore und Carports anfertigt, die Augen seiner Kundinnen leuchten lässt.
In der „Ausspanne – Zum alten Krug“ sorgte und sorgt ein urtümlich dampfender und schnaufender Automat für Gäste, welche wiederum dem Haus das Personal erhielten.
Ein Oberleutnant der Kriminalpolizei wurde 1987 entlassen, weil in der Verwandtschaft jemand „in den Westen ging“. Er fand den Markt und investierte in seiner Heimatstadt erfolgreich in Immobilien. Herrliche Wohnungen folgten in einem großen Gebäude dem Amtsschimmel der alten Kreisverwaltung und gestatten nun einen Ausblick über die beherrschenden Türme der Stadt. Der Gejagte wurde zum Jäger mit „Jägerhof“ im Immobilienrevier.
Auch die missratene blaue Wunde der kleinen Randgemeinde Flemmingen erfuhr dank privater Anstrengungen bald ein gesundes stählernes Innenleben.
Ob Kaffeekränzchen, Schrammschmiede, Firma Ingo Franz, Autohaus Possögel oder Zeltbetreiber und Ansprechpartner Matthias Kah, viele private Initiativen entstanden.
Haben sie alle in der Gründerzeit nach der Wende die Fürsorge und Pflege der Stadt erfahren?
Peo träumte, dass es besser sei, selbst zu rudern, als Abwicklern das Steuer zu überlassen und wünschte sich, dass die Stadt diesen Lauf nicht nur begleitet, sondern sich dafür auch verantwortlich fühlt. Hier irrte er.
Händel war da anderer Meinung: „Die Stadt ist für die Beschaffung von Arbeit nicht zuständig“. Später zeigte sich, dass ihm wohl auch die Ordnung in der Stadt egal war. Er und seine Jünger brachten es in siebzehn Jahren nicht fertig, eine Stadtordnung auf die Beine zu stellen, auf welche sich der ordnungsliebende Teil der Bevölkerung berufen könnte. Zu Null-Toleranz gegen Randale, qualmende Gartenfeuer und ungefegte Wege vorzugehen würde wohl die eigenen Interessen gefährden und blieb in 2007 nun dem Nachfolger als Ehrenaufgabe erhalten.
Während Friedrich Nietzsche nur meinte, dass die Evangelien unschätzbar als ein Zeugnis der unaufhaltsamen Korruption sind, betrieb Händel raffiniert die Selbstverstellung ins Heilige und versteckte dahinter seinen moralischen Verfallsprozess. Die Duckmäuser durften ihren auserwählten Dünkel pflegen und dem kleinen Mann, sprich dem Bürger, der sogar in seiner Hilflosigkeit, dieses ansehen zu müssen die Wahl verweigert, Moral und Zahlungspflicht predigen.
Und die Heimatpresse? Sie wurde ihrem Ruf gerecht und ließ ihre Medienvertreter mit den politischen Führungskräften kuscheln, anstatt aufzuklären.
Zurück in das Wendejahr. Händel beobachtete und spürte, wie auch ihn plötzlich eine innere Unruhe durchrieselte. Er hatte es schon in einige Chefsessel geschafft, wenn auch immer in der zweiten Reihe. Sicher gaben Zufallsbegegnungen Anstöße, denn wie gesagt, es rieselten Gedanken wie „alte Besitztümer sichern“, „Verwaltungsüberlegenheit beibringen“, „politische Kampferfahrung nutzbar machen“, kurz, alles in den Mantel von Heimatgefühl und Heimatzugehörigkeit packen und in das Getümmel ziehen. Die ersten Berichte der Medien ließen Erfolge hoffen. Er war sich nicht ganz sicher und ließ im Ländle alle Türen offen, denn im Herbst 1990, nach dem Kennen lernen des Peo im Frühjahr äußerte Händel einmal sinngemäß: „Der „Große Bruder“ meiner neuen Zielheimat, hier die Freunde genannt, scheint mit dem Entlassen Ostdeutschlands aus dem Bündnis, dem Warschauer Pakt, noch zu schwanken. Ich werde mich schon einmal auf einen Ortswechsel vorbereiten, bevor wir hinter dem großen Gebirgszug im fernen Osten im Gulak landen“.
Die Widersprüche, die später ein gutes Verhältnis und den Wunsch nach sachlichem Miteinander platzen ließen, man kann es auch Enttarnung der sich immer mehr zeigenden antagonistische Fakten und Charakterzüge nennen, häuften sich. Die Presse druckte 1992 ein Interview mit Peo, aus welchem hervorging, dass es doch die wichtigste Aufgabe der Stadt sei, Voraussetzungen zu schaffen, damit Arbeit entsteht oder erhalten bleibt. „Dabei geht es nicht um Hilfe im operativen Geschäft. Dafür sind die Betriebe selbst zuständig. Es geht aber sehr wohl um die Förderung infrastruktureller Bedingungen für die Naumburger Betriebe, welche unzureichend durch die Stadt betrieben wird“.
Das war für Händel ein willkommener Anlass, Peo den Krieg zu erklären. Dabei scheute Händel auch vor ekelhaften Gemeinheiten nicht zurück.
Peo, der Naive, hatte ja trotz seiner fünfzig Jahre Lebenserfahrung im Umgang mit roten Parteikadern und zwanzig Jahren angeblich objektiver Berichterstattungen zweier westlicher Fernsehsender hinter dem „Eisernen Vorhang“ überhaupt nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet er Umgang mit Einzelelementen einer Billigvariante der menschenverachtenden Verdummungskünstler und Karrieristen der abgenutzten Bundesländer pflegte. Das war die Garnitur, die „drüben“ nicht ausreichend Fuß gefasst hatte und sich nun ohne große Mühen austobte, angesammelten Frust abarbeitete und wieder die mitgebrachten oder auch selbstständig Eingereisten verdrängte.
In einem Kommentar der Tageszeitung wird später, am 22. Januar 2004, über einen Justizminister Händel, gekommen aus dem Ländel, im Land zu lesen sein:
„…Der aktuelle Fall ist aber ein weiteres Indiz dafür, dass Händel es mit gesetzlichen Vorgaben nicht so genau nahm. Auch wenn nicht gegen ihn, sondern gegen seinen Amtsnachfolger in Naumburg ermittelt wird, muss der Minister auf Aufklärung dringen, will er diesen Eindruck widerlegen. Ob ihm das trotz der relativ undramatischen Anschuldigung nachhaltig gelingen wird, ist zu bezweifeln. Letztlich sind derartige Vorwürfe das Resultat einer Politik des Aussitzens, für die sich Händel nach der Brief-Affäre im Herbst entschieden hat. Damals hätte der CDU-Mann zurücktreten müssen. Aber Händel blieb.“
Dann fielen noch Gedanken vom Image eines nicht ganz einwandfrei agierenden Politikers, vom Problemwerden für den Ministerpräsidenten, vom Makel für die ganze Landesregierung.
Ungerührt konnte das nur einer über sich ergehen lassen, welcher zur oben genannten Garnitur gehört, für das politische Geschäft damit „sehr geeignet“ ist. Auch den vorher am 20.11.2003 eingerichteten 13-köpfigen Untersuchungsausschuss des Landes, zu welchem der Amtsmissbrauch und der Bruch des Amtseides durch Händel geführt hatten, schluckte er ohne Schamgefühl.
Als gar am 21. April 2004 die Presse im Halbzeit-Zeugnis für die Regierung dem schwarzen Justizminister die Gesamtnote 6 (sechs) erteilte und dieser weiter köchelte, zeigte sich die im gegenwärtigen Moment „außerordentliche Eignung“ für das politische Gewerbe.
Am 18. April 2008, vier Jahre später stand im Naumburger Tageblatt ein Kommentar zu „Naumburgs Demontage“. Die sozialdemokratisch besetzten Ministerien entzogen Naumburg, für eine Kreisstadt unüblich, das Polizeirevier, wollten am Jahresende 2008 das Arbeitsgericht abwickeln, beschnitten personell drastisch die Justizvollzugsanstalt, planten die Auflösung der Außenstelle der Staatsanwaltschaft, empfahlen einem Fernsehsender Naumburg als lohnenden Drehort für Prügelszenen mit gewalttätigen Jugendlichen. „Ihre Heiligkeit“, eine Redakteurin des Tageblattes wundert sich? Was muss ihr Intimus im Landtag, später und vorher in und mit der Regierung alles angestellt haben, damit nun Naumburg diese Retourkutsche erhält?
War Händel vielleicht doch nicht „außerordentlich geeignet?“
Es bleibt dem Leser überlassen zu urteilen: Peo war ungeeignet im politischen Geschäft. Sein Leben, Denken und Fühlen soll hier nicht als leuchtendes Vorbild präsentiert werden. Dieser Roman ist einfach der Versuch, einer objektiven Wahrheit durch subjektive Dichtung auf die Spur zu kommen, amüsante Heimatgeschichte literarisch entstehen zu lassen, verflochten mit einer Realität, welche immer mehr Bürger anstinkt.
Politische Untüchtigkeit kann sich aber auch bei den Profis zeigen. Der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt-Antiwelt betonte beim Neujahrsempfang im Januar 2008, die Bürger sollten sich mehr an der Demokratie beteiligen und die Politiker durch „beispielhaftes Auftreten und Handeln der Politikverdrossenheit vorbeugen“. Da hatte er aber Glück, dass ein Händel schon von der Bühne verschwunden war und journalistische Veröffentlichungen in den „Blauen Tonnen“ der Entsorgung harrten.
Zur Erinnerung aus der Presse 2003:Vorgehen des Ministers ist ein Skandal/ Unabhängige Richter werden abgestraft/ Ausschuss will Akten- Untersuchung zu Händel/ 15.10.03 Rücktritt oder ein Parlamentsauschuss- Widersprüchliche Details/ Auftragsvergabe umstritten/ SPD erneut für Rücktritt Händels/ Verfassungsrichter Winfried Kluth sieht unzulässige Parteinahme/ Eine Einflussnahme wie diese (gemeint ist der direkte Eingriff des Ministers zu Gunsten eines Parteifreundes) hat es in der jüngeren deutschen Geschichte noch nicht gegeben.Also doch kein Profi?
Da war ein ehemaliger junger Mann aus Naumburg an der Saale in der ostpreußischen Stadt Zinten erfolgreicher oder auch geeigneter. Im Jahr 1911 wurde dieser Bürgermeister in Peos Geburtsstadt. Es war ein Herr Groebler, Stadtobersekretär in Naumburg. Jung und dynamisch trieb er die Wasserversorgung und Wasserentsorgung trotz vieler Hindernisse ständig voran. Bald floss in die Haushalte und 397 Häuser durch Rohre aus Mannesmannstahl das belebende Nass. Er betrieb seine Politik zum Wohle der Einwohner und vermied überzogene Kläranlagen und somit private Bereicherungen durch die Auftrag nehmenden Firmen.
Über diesen Herrn Gröber waren entsetzte Bürger mit Leserbriefen nicht befasst, wie zweiundneunzig Jahre später am 16.10.2003 im Tageblatt zu lesen war:
„Dieses ganze Vorgehen des Oberbürgermeisters der Domstadt zeigt uns den Sumpf der Beziehungen und deren Möglichkeiten, bezogen auf Parteifreunde und Landtagsabgeordnete.“
Der Gerechtigkeit halber muss nun doch auch geschrieben werden, dass die ablösenden roten Minister und Staatssekretäre der Landeskoalition im Jahre 2008 mit den gleichen Methoden ihrer schwarzen Vorgänger die Behörden in ihre Wahlkreise umziehen lassen und die Unkosten erst verneinen, dann schönreden und zum Schluss den Steuerzahlern in allen Wahlkreise aufbürden.
Mit Kriegserklärungen, wir erinnern uns an den Anlass einige Zeilen weiter oben, hatte Peo gerade erste Erfahrungen gesammelt.
Eine Bewerberin, zunächst in Unkenntnis ihrer persönlichen Schwächen und dem Erneuerungsanspruch geschuldet, war zur Schulleiterin vorgesehen. Der neuen Zeit und den Führungsaufgaben nicht gewachsen stellte sie ihrem Schulrat, der ihr den Rückzug mehrmals nahe legte, in der Pause einer Dienstberatung die Frage, ob er für oder gegen sie sei. Noch keine bindende Aussage an diesem ungeeigneten Ort sofort von sich gebend stellte sie 1991 oder war es 1992 fest. „Ich sehe schon, sie sind gegen mich. Ich erkläre ihnen hiermit den Krieg“. Hinter dieser selbstbewussten Bodenlosigkeit steckte wohl das Wissen um den Einfluss und das Beziehungsgeflecht der im Regierungspräsidium Halle sitzenden liberalen Gönner und die Narrenfreiheit einiger Würdenträger dieses Hauses, ermöglicht durch die Abwesenheit des Leitenden Regierungsdirektors, welcher sich im Urlaub befand. Der Leser muss wissen, dass die üblichen langwierigen Bewerbungsverfahren der bundesdeutschen Bürokratie erst später erfolgten.
Mit etwas mehr menschlicher Aufgeschlossenheit und Einsicht, an eigenen Fehlern und Schwächen arbeitend, hätte ihr das Kollegium nicht gleich zu Füßen gelegen, aber mit seinen in ihm schlummernden Erfahrungen für eine angesehene Schulleitertätigkeit gesorgt, solange, bis die landespolitischen Vorgaben auch dem letzten Gutwilligen den Mut zu verantwortungsvoller Arbeit raubten. Sollte es das Schicksal anders kommen lassen?
Der am Schluss seiner Laufbahn mit dem Struwwelpeter gewürdigte Jubilar, ihr Nachfolger, zeigte, wie es gehen kann.
Ansonsten war der Umgang mit den Schulleitern für Peo immer ein Fest. Ob in einer Dienstberatung oder im trauten Gespräch, alle kamen aus dem gleichen Topf, angetan mit dem Elan der Wende und nicht im Antritt gegeneinander. Zunächst gab es ja noch die Polytechnischen Oberschulen mit mehr oder weniger Zügen, gegliedert in Unterstufe und Oberstufe, sowie die Erweiterten Oberschulen. Einheitlich handelnde Pädagogenkollektive, so hießen diese vor der Wende, einheitliche Lehrbücher im ganzen Land und gut ausgewogen mit der Fächerung in Mathematik, Naturwissenschaften, Sprachen, Kunst und Sport. Die Schule war ein Ort des Lernens und der mehrheitlich fröhlichen Begegnungen nach den Ferien. Wenige pädagogisch und oder fachlich unfähige Lehrerpersönlichkeiten konnten dieses Bild nur unwesentlichtrüben.
Gemach, gemach.
Ich rede einmal nicht von dem herrschenden ideologischen und parteidoktrinären Hintergrund mit seinen Folgen, vom willfährigen Schulleiter, welcher, wie ein verschmähter Bräutigam seine fliehende Braut verfolgend, Schülerinnen und Schüler mit seinen Genossen der Staatssicherheit durch Lügen und Vorspiegelungen irritierte und den Schüler Exner in tiefste Seelenqualen stürzte. Ich rede jetzt auch nicht vom Belauern der Lehrer durch beauftragte Genossen in den Stunden der Würdigung des Weltfriedens am 1. September oder in den Elternversammlungen.
Wer politisch auffiel, dem fielen plötzlich Personen in seinen Tätigkeitsabläufen auf, welche an dem Auffallenden Auffälligkeiten suchten, um dies auffallend schnell zu hinterbringen. An diesen Personen fiel dem Auffälligen sehr schnell auf, wie auffällig dämlich sich diese anstellten in dem Bewusstsein, eine ganze sozialistische Partei hinter sich zu wissen. Peo fackelte nicht lange. Er stellte die Beobachter, getarnt als Hospitanten an einer Unterrichtsstunde vor die Alternative selbst zu unterrichten oder den Raum zu verlassen, selbst die Elternversammlung zu halten oder zu verschwinden. Ein stellvertretender Kreisschulrat musste sich bei Peo daraufhin für sein anonymes Erscheinen entschuldigen. Das Gesicht der Partei sollte gewahrt bleiben.
Im Tagesgeschäft schien, wie auch jetzt oder früher die Sonne oder es fiel Regen und der Schultyp „Zehnklassige Polytechnische Oberschule“ war von 1945 bis 1989 ein sich entwickelnder Ort des Lernens und ein Hort.
Peo wurde in der Nachkriegszeit durch die hin und wieder noch im Dienst befindlichen Vorkriegslehrer an Literatur herangeführt. So durfte er freiwillig den Simplicius Simplicissimus, vom Klassenlehrer Herrn Adler beauftragt, lesen und seinen Mitschülern in der Klasse 8 der Georgenschule vortragen, was in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ablief, was der bedeutendste deutsche Erzähler des 17. Jahrhunderts, der Hesse Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen, der Nachwelt überlieferte.
Auch lieferte die Bibliothek des Großvaters genügend Anlass, Neugier zu befrieden. Der Riesenwälzer „Lord Wellington, der Eiserne Herzog“ wurde zur Lieblingslektüre. Er fand die Inhalte spannend und fesselnd, auch wenn die geistige Reife mit seinen 14 Jahren noch nicht ausreichte.
So verstand er auch nicht, in einem kleinen Büchlein auf derbe Art im bayerischen Dialekt beschrieben und sich heute immer noch daran erinnernd, warum sich in einer Kneipe die Männer laufend über eine Frau mit einer „Weißen“ unterhielten und bei dieser besonders gerne durch das Fenster einstiegen. Die Prüderie der Gesellschaft war im Jahr 1951 noch intakt und Kinder noch nicht auf einer Ebene mit lüsternen Erwachsenen, wie vierzig Jahre später.
Beugt sich jetzt, im Jahre 2007, eine sommerlich gekleidete weibliche Lehrkraft zu einem niedrig sitzenden Grundschüler, einen Fehler entdeckend und ihm anzudeuten, „er kriege gleich eine“ muss sie damit rechnen, dass der daneben sitzende Knirps, gereift an Kioskauslagen und Bildschirmen des freiheitlich demokratischen Rechtsstaates, tönt: “Und wer kriegt die andere?“
Reif oder unreif. Das half nun aber alles nichts. Neulehrer und Schulleiter Wendt glich im Geschichtsunterricht an der Georgenschule Peos Streben nach Anerkennung immer mit einer „Fünf“ aus. Peos Vater hatte ja schließlich 1951 den goldenen Zeiten des Aufbaus des Sozialismus den Rücken gekehrt. Der Volksmund sagte dazu: Er war abgehauen. Und Strafe „bis ins dritte Glied“ haben ja auch schon Kirche und Drittes Reich praktiziert.
Die Verfolger bezogen auch verwandtschaftliche Mitglieder der Familie ein. Wie sonst ist es zu erklären, dass eine Genossin Leiterin der Schulinspektion, oder war sie noch Genossin Schulleiterin, an der Schule neben dem Straßenbahndepot, die Schülerin Gabriele K, welche in zehn Jahren gute und sehr gute Leistungen zeigte, in der mündlichen Biologie-Prüfung so um 1980 fragte: „Die Deutsche Demokratische Republik hat mit einem befreundeten sozialistischen Land ein Handelsabkommen über die Lieferung einer Südfrucht abgeschlossen. Um welche Südfrucht handelte es sich?“
Die Schülerin nannte, jedes Mal mit einem Nein der Prüfenden kommentiert, alle vorkommenden Südfrüchte, welche sie eigentlich als sozialistische Schülerin nicht kennen dürfte, denn Westfernsehen war verboten und in den Läden gab es regionale Produkte wie den „Grünen Schrecklichen“, aussortiert aus den Exportäpfeln „Gelber Köstlicher“, Weißkohl, ungewaschene Möhren und Ähnliches. Waren die Stiegen leer, rief die Verkaufsstellenleiterin an der Ecke Salzstraße, vor Leder-Bose, doch aber hin und wieder auch: „Hella, hol e ma ne Kiste j-a-m-e-s g-r-i-e-f-e“, so ausgesprochen wie geschrieben. Die Verkaufsstellenleiterin sprach eben immer noch im Jargon ihrer adligen Vorfahren.
Die „Nein“ sagende Prüfende verlangte die Antwort „Kaffee“. Sie kann dem Parteisekretär der Erweiterten Oberschule, jetzt Landesschule Schulpforta, die Hand reichen. Trotzdem hat sich Peo als ihr Nachwendechef nicht zu Sanktionen hinreißen lassen.
Nach der Wende wurde die Prüfende Vorsitzende einer Wohlfahrtsgemeinschaft bzw. der Lebenshilfe im Kreis und gut bekannt mit der gleichfalls in dieser Gesellschaft operierenden Gattin des Händel.
Eine Verknüpfung, über die sich niemand mehr wundert, wenn er liest, wie sich alte und neue Braune, Rote, Grüne, Gelbe und Schwarze nach dem zweiten Weltkrieg im Westen Deutschlands verbrüderten, politische und bürokratische Ebenen besetzten.
Schon Bert Brecht stellte nach seiner Rückkehr in Deutschland fest, dass die alten Nazis auch in Ostdeutschland noch immer saßen bzw. sich wieder einnisteten.
Jetzt, rund fünfzig Jahre später, waren es eben die alten Roten.
Es ging nie um Moral, immer nur um persönliche Macht, um Selbstdarstellung. Und die Presse immer spektakulär, aber unkritisch mit dabei. Siehe oben: Sie kuschelte.
Die fachlichen Erfolge und die sozialen Lernzugänge dieses vergangenen Schulsystems liegen den heutigen Länderverantwortlichen und Zersplitterern des Schulsystems oder auch Landesegoisten schwer auf den Schultern. Man sieht es am täglichen politischen Gerangel der Schaltstellenbewahrer.
Da ein wenig mehr Englisch so um das Jahr 2000. Dort in einer vierten Klasse ein römisches Rechenbrett zur Verbesserung des Vorstellungsvermögens- welch eine Schande im Land der Dichter, Denker und Erfinder.
Da vorgeschriebene Zugangsbedingungen für Gymnasien, dort ein Landesverwaltungsgericht mit Aufhebung dieser Bedingungen. Sogar die Behörden im Existenzgerangel. Verwaltungsgericht gegen Landesverwaltungsamt.
Und weiter!
Man höre und staune über eine Tageblattmeldung vom 11. Januar 2008:
„Die Grundschule in Kleinjena ist die zweite in Deutschland, die das so genannte römische Rechenbrett verwendet. Die 300 EURO für den Klassensatz durfte auch noch der Förderverein aufbringen.“
Auch in Berlin ist es nicht besser. Gemeldet wurde am 15.09.2008, dass eine dortige Schule digital unterrichtet. Nicht daneben steht, dass die Bundesrepublik im europäischen Maßstab damit an letzter Stelle liegt.
Peo plädierte in den neunziger Jahren noch als Abgeordneter wirkend in der Presse für die Wiederherstellung der Polytechnischen Oberschule ohne ideologischen Ballast. In das Kultusministerium bestellt, wurde ihm von einem Staatssekretär aus den alten Bundesländern vorgetragen: „Bei uns in Niedersachsen hätte man Sie entlassen“. Na dann, weiter so mit dem Niedergang des Schulneveaus.
Man höre und staune über eine Tageblattmeldung aus derselben Woche, wie der mit der Meldung zum Rechenbrett:
„Ein Staatssekretär aus dem Verteidigungsministerium darf eine siebenstellige Bestechungssumme laut Bundesgericht behalten, weil eine Rechtssprechung so lange verzögert wurde, bis die Untat als „verjährt“ galt“. Und ganz neu zieht durch alle Medien, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) 300 Millionen Euro an ein amerikanisches Unternehmen mit geschäftlichen Zielen überwiesen hat, welches Tage vorher schon im Konkurs stand. Die Presse würdigte diese Herren auch treffend als die „dümmsten Bankiers Deutschlands“. Wie nennt man aber nun die Bundestagspolitiker, welche für die Kontrolle dieser Bank in diesem Zeitraum zuständig waren? Waren die etwa die ganze Zeit nur mit den Feuchtgebieten in Bordellen beschäftigt?
Direktor Wendt begegnete Peo 1970 wieder. Der treue Diener einer Blockpartei saß am 25. August 1970 als Gast im Pädagogischen Rat der Jan-Hus-Oberschule und sprach zum Thema „Die Erhöhung des politisch ideologischen Niveaus aller Lehrer“.