3.7. Versuchungen
Er, Händel, zeigte sich aber auch verwaltungserfahren, politisch versiert, dem Gegner immer mit flotten Sprüchen über den Mund fahrend, auch ohne direkten Anlass angreifend. War Peos Unterbewusstsein nicht im Boot, dass er mit einer solchen Leichtigkeit und Unbekümmertheit Partner wurde? Man muss wissen, dass ihn, Peo, noch im Frühjahr 1990 die mehr rote als schwarze Presse der Partnerstadt, als Stadtoberhaupt favorisierte.
Peo als Bürgermeister? Lustig wäre das zum Beispiel sicher für Kartenleger und Wahrsager geworden. Was steckt hinter den Plänen der Vorsehung, wenn erst Herr Groebner aus der Stadtverwaltung Naumburg, geschichtlich belegt, 1911 Bürgermeister in Peos ostpreußischer Geburtsstadt Zinten wurde und dreiundneunzig Jahre später ein Zintener in Naumburg?
Dabei lief Peo noch als parteiloser Schwarzer durch die Gegend. Die roten Spitzen der Partnerstadt Aachen haben ja dann auch gleich die Personalweichen durch ihre nun neu gefundenen Genossen umstellen lassen. Profis eben.
Über das Zentralkomitee einer mächtigen Partei sagte man, dass der erste Tagesordnungspunkt einer Zusammenkunft der Herren und einer Dame das Hereintragen der Mitglieder benannte, der zweite auf das Einstellen der Herzschrittmacher zielte.
Über die erste Zusammenkunft der Ratsherren und deren Oberhäupter aus den Partnerstädten Ost und West im Frühjahr 1990 in der Kleinstadt sah das ganz anders aus.
Punkt 1: Heranschaffen von Untertassen und anderen Gefäßen, weil die unkultivierten Ostler während ihrer Sitzungen nicht rauchten und Aschenbecher nicht vorhanden waren.
Punkt 2: Anstecken von Zigaretten, Zigarren und monströsen Pfeifen durch die Gäste, welches offensichtlich dazu dienen sollten, die Gastgeber zu benebeln. Schon damals erzeugten diese Verhaltensweisen den Rauchern einen asozialen Anstrich. Das übertünchte auch kein „Siebener BMW“ des Aachener Oberbürgermeisters, quer über den Markt rauschend und Bewunderung bei den zufällig durchreisenden Landsleuten auslösend.
So muss es auch bei der Bearbeitung des Einigungsvertrages, eines Vertrages zwischen der DDR und der Bundesrepublik über das Zusammenschmelzen der beiden Staaten, zugegangen sein. Wie sonst konnten so viele Fehlpässe entstehen?
Im Gegensatz dazu entstanden ohne Nebel viele private Partnerschaften, welche nicht nur mit Reisen ausgefüllt wurden, sondern auch in beständigen wirtschaftlichen, kulturellen, sportlichen Ergebnissen und Gründungen weiterliefen und auch noch 20 Jahre später voller Leben erfüllt waren.
Ein Brief des promovierten Oberindianers der Partnerstadt als Antwort auf Peos Schreiben vom 9.12.1989 wird evt. später unter „vor, am, nach dem Runden Tisch“ noch einige Bemerkungen erfordern.
Also Peo als Kandidat? Sofort waren die Versucher auf dem ostteutonischen Schlachtfeld. Waren das gut gemeinte Taten der netten Herren oder steckten unredliche Geschäftsgebaren dahinter? War Peo schon reif genug, um das zu verstehen? Leidet er an einer Asymmetrie der Wahrnehmung und empfindet zunächst alles Westliche als unbedenklich?
Also: Eine Gruppe bedeutender Persönlichkeiten war auf der Durchreise, sah sich die öffentlich vorgenommene Zeremonie der neuen Partnerschaftsvereinbarung an, lernte Peo kennen. Alle waren sich sympathisch und guten Willens, der neuen Zeit zu frönen. Es erfolgte eine Einladung und eine Aufforderung.
Die Aufforderung:
„Einhunderttausend Deutsche Mark wurden ihm ohne Quittung in die Hand gegeben, womit er Jungunternehmer zinslos kreditieren sollte. Auch würde kein Hahn danach krähen, wenn das Geld abgeschrieben werden müsste“. Bankbelege zeugen davon, dass an Peo nichts hängen blieb, dass ein wenig Wohltat für Behinderte und ein kleiner Anschub für Existenzgründer Nöte milderte. Somit blieb er nicht manipulierbar. Gern erinnert er sich dabei an den hoffentlich gut gemeinten Ratschlag eines regionalen Sparkassenchefs, einem echten „Finanzhay“, welcher den Unerfahrenen vor Schussligkeiten bewahrte. Hätte dieser ihn auch hineinreiten können?
Die Einladung:
„Er wurde unter anderem auch bei Unternehmern, in Villen sitzend und mit Wachhunden umgeben, vorgestellt. Wie groß ist in der Türmestadt das Abrissvolumen? Peo konnte und wollte auch damit nichts anfangen“.
Nur gut. Hatte ihn eine unbewusste Ahnung gebremst, die Schulstraße, den Steinweg mit seiner erhaltenen historischen und doch auch maroden Bausubstanz als lohnendes Objekt der Profitgier des Großunternehmens, diesem, wenn auch nur als Empfehlung, auszuliefern?
Wäre dann, wie in Flemmingen, eine unübersehbare „Blaue Wunde“ als Mahnmal für Korruption und die Unfähigkeit, seine Heimat zu schützen, entstanden? In diesem Ort steht eine Riesenhalle in Blau im krassen Gegensatz zur dörflichen Idylle, ein Verdienst Händels. Wer durch den Ort spaziert, der möge die einfachen Bewohner fragen, wie es dazu kam. Kübelweise schütten diese über Händel und seine Versprechungen den moralischen Unrat aus, durchaus anerkennend die Umwidmung ins metallische Gewerbe, kein Verdienst Händels, würdigend.
Verwunderlich nur ist, dass es keinem einfällt, die Sprayer der Umgebung einzuladen, um aus der blauen Einheitsfront ein floristisches Panorama zu entwerfen.
Man stelle sich vor, Peo hätte gegen gutes Geld und Immobilienvorteile dafür gesorgt, dass die Schulstraße abgerissen worden wäre.
Geht hin und seht sie euch an, die Naumburger Schulstraße!
Peo ging durch diese Straße zwanzig Jahre lang. Mal von oben, mal von unten kommend. Die Mangelwirtschaft ließ es zu, dass die Grenzen der Standfestigkeit der Häuser und Häuschen erreicht wurde. Gegenüber dem Schuleingang, die Schulgiebel selbst senkten sich um 1985 auch gefährlich, entstand die erste Lücke. Rene Fischer verlor sein zu Hause. In einer solchen Straße kam es auch nicht mehr darauf an, wenn Peo, vom Fahrrad steigend an seinen Füßen eine blaue und eine grüne Socke, geschuldet der noch am frühen Morgen im herbstlichen Dunkel ruhenden Familie, entdeckte. Hinter dem physikalischen Experimentiertisch waren die sowieso vor vorwitzigen Spähern unentdeckbar. Bald wären weitere Häuser, nicht Sockenfarben und immer noch grau in grau, gefolgt, hätte sich nicht ein Unternehmerduo, selbst am Ende der Straße wirkend, so um 1996 der Wundmale in der Kleinstadtidylle angenommen und nicht nur mit Farben kleine Wunder geschaffen. Welch eine glückliche Wende nach der Wende. Weg von den Rändern und Wiesen und rein in die Zentren. Die Taten dieser Minitruppe erscheinen Peo so wertvoll, als würde man beim Bolte-n (ein Fachbegriff für mit der Wünschelrute suchen) in der Erde Goldstein-e aufspüren. Hießen nicht Bolte und Goldstein zwei erfolgreiche Unternehmer?
Ein Blick in die Geschäftsauslagen am Kramerplatz zeugt von weiteren Verdiensten, die einen Orden mit Band wert wären.
Und gleich um die Ecke die nun fast schon weltberühmte „Kleine Bühne“, ein Puppentheater, teilnehmend vom 10. bis zum 15. September mit „Romeo und Julia“ am renomierten „9. Internationalen Puppentheaterfestival 2008“ in Ljubeljana, für welche auch Peo 1990 als frischer Kulturdezernent des Landkreises noch Weichen stellen konnte. Fast vergessen, dass Händel die Bühne abschaffen wollte? Sie war ihm so wurscht wie die einzige komplett erhalten gebliebene Ringbahn der Kleinstadt, welche 20 Jahre später Dank der Initiativen vieler fleißiger Idealisten auch 20 Jahre nach der Zerschlagung noch in Teilen exitiert.
Ihm schien auch der Kampf um ein bedeutendes Denkmal unzumutbar. So verkam nach der Wahl Händels als Bürgermeister ein Symbol, welches nicht einmal die DDR- Stadträte schutzlos stehen ließen.
War Peo also erleichtert und freudig bewegt, für die „Erneuerung“ des Landes in seinen Ämtern und Funktionen wie Kreisschulrat, Beigeordneter, stellvertretender Landrat, Fraktionsvorsitzender im Kreistag und kurzzeitig auch im Stadtparlament, wie Mitglied im Landesbildungsausschuss ausreichend gefordert zu sein? Haben ihm die späteren Intrigen genutzt und ihm nicht eine unlösbare Bürde abgenommen?
Oder hätte er darauf vertrauen sollen, dass man an und mit seinen Aufgaben wächst und, gezielt auf eine Karriere orientiert, sich nicht vor hohen Ansprüchen scheuen muss? War er doch besser beraten, zum Wohle der Stadt bei seinen Leisten zu bleiben? Hätte er den überdimensionierten Klärgrubenerbauern, den Haus- der- Stadt-Befürwortern, den Blaue Wunder errichtenden, diesen Steuergeldvernichtern, widerstehen können?
Von einem philosophisch geschulten Theologen, wie zum Beispiel dem Sachsen aus Frohburg, welcher am „Katechetischen Oberseminar Naumburg“ bis zur Wende lehrte, wäre guter Rat sicher nicht teuer gewesen. Doch auch der stieg erst einmal hoch hinaus und veröffentlichte als Philosoph die Irrtümer des Ostens erst im Jahr 2007, und auch noch, wenn auch unverholen und sehr konsequent, sehr unglaubwürdig, wie in kritischen Lesermeinungen im September 2007 nachzulesen ist. „Er habe immer gesagt, was ihm nicht gefallen habe“ klingt nicht sehr glaubwürdig, denn hinter vorgehaltener Hand und in abgeschirmter Runde der religiösen Kritikaster des Kirchlichen Oberseminars drohte kaum Gefahr. Diese Leute etwas milder zu behandeln war ja ein raffiniertes Feigenblatt des Systems
Hat ihn überhaupt jemand beraten?
Oh ja. Peo hatte, wie später noch zu hören, auch einen Mann von der Straße. Seiner Frau, welcher dieser braungebrannte und sportliche Typ immer einmal, wenn sich die Wege auch schon in jungen Jahren kreuzten, ein Blick wert war, machte Peo auf diesen, als geeignet scheinenden Mitarbeiter aufmerksam. So bekam Peo gleich nach der politischen Wende einen Berater in allen fachlichen Fragen, einen Kollegen von unglaublicher Zuverlässigkeit und Integrität, welcher nie zum Zweifeln Anlass gab, so dass sich Peo sorglos dem politischen Geschäft widmen konnte. Er selber hätte sicher oft einen Grund gefunden, in Peos persönliches Verhalten korrigierend einzugreifen, tat dies aber, wenn überhaupt, sehr taktvoll. Unvergessen wird auch sein täglicher Antritt in den späteren Zeitzer Jahren zu morgendlicher Stunde sein, wenn er, sich dröhnend räuspernd die Stimmbänder freilegend, das Haus erzittern ließ. Haben wir, es gab noch einen zweiten Kumpel, dem Peo mit mehr Misstrauen hätte begegnen sollen, gelacht. Trotzdem wurde die Arbeit pünktlich begonnen und bis zum Freitagabend durchgehalten, nicht ahnend, dass benötigte Gesprächspartner in den Regierungspräsidien und Ministerien, welch sich nicht mehr erreichen ließen, zu diesem Tageszeitpunkt längst in die privaten Sphären eingetaucht waren. Längst gut dem Weststandard angepasst. Dieser geradlinige Denker und fleißige Mann war ein echter Gewinn für das Land. Peo konnte also ein gutes Gewissen haben, als er hinterhältige Angriffe, die über die Landeshauptstadt geleitet bei ihm landeten, im guten Glauben abwehrte.
Und bald tauchte noch eine freundliche Seele auf, Mario der Zauberer. Der zauberte korrekte Niederschriften und personalrechtlich sowie gewerkschaftsinhaltlich sauber abgefasste Schriftsätze. Mario, ein Anwärter auf Dienstlaufbahnen über Peo, Ruhe und Gelassenheit ausstrahlend. Er galt als sehr geeignet für die von Peo praktizierte „Abstraktion reputierlicher landesgültiger Theorien“, kurz ARLT genannt, welche aus dem obersten Topf immer wieder einmal ungerührt und ungeschüttelt das Land überfluteten und für den betroffenen Bürger umgangen werden mussten.
Nicht vergessen werden soll auch ein Kollege der alten Abteilung, noch mitteljung an Jahren, welcher nicht durch verbissene Linientreue gezeichnet war. Mit seiner feinen und humorvollen Art, geprägt von Sachkenntnis über die Region wäre es Peo recht gewesen, ihn als Mitarbeiter behalten zu dürfen. Doch die, welche sich weiter oben gesammelt hatten brauchten Feigenblätter als Zeichen ihrer inneren Erneuerung. Es ist ja normal, dass man sich anpasst aber widerwärtig, wenn die alten Methoden und Unanständigkeiten menschlichen Handelns weiter gepflegt werden. Diese Wölfe suchten Beute und so geriet Wolf, das war zufällig sein Name, unter die Wölfe. Er musste gehen. Am Ende natürlich auch eine Entscheidung, die Peo hätte fällen müssen, wollte er sich nicht selbst seinem als Auftrag verstandenen Erneuerungsanspruch in den Weg stellen.
Zwischen diesen beiden Säulen eingespannt, wurde mancher Ausbruch Peos verhindert, wie bei einem mittig eingespannten Gaul, in einer Troika umgeben von Vollblut.
Oh ja. Er vergaß nicht die seine Euphorie mildernden Worte und Meinungen seines Halbbruders Erich und dessen Ehefrau, als er allzu überschwänglich die neuen Eindrücke über die neue Zeit und die neuen Parteien während eines Besuches in Norddeutschland beschrieb.
Er saß also nun in seinem neuen Arbeitsraum, „mächtig gewaltig“ würde Egon Ohlsens Partner, ein zu der Zeit bekanntes Pseudonym für einen schwedischen Schauspieler, sagen, willig und in Hochform, um nun vieles besser machen zu wollen.
Er schottete sich nicht ab und wurde überrannt.
Neben den einfachen Verwaltungsaufgaben, vom Stab der Mitarbeiter exzellent vorbereitet und überwiegend bearbeitet, vor den Augen einen nicht zu öffnenden Panzerschrank (der lenkte oft innerlich ab), inmitten verschiedener farbiger Telefone, deren Anschluss an die ehemaligen Kreisregenten noch funktionierte, wollte der eine einen Schießplatz in der Höhe kaufen, der andere ein Jugendclubhaus, der nächste alle Schülertransporte haben. Da brachen Fragen auf. Wie genehmigt man eine freie Schule? Wer? Was darf das Jugendamt? Wie weit dürfen Betroffene alter Entscheidungen des Jugendamtes Einblicke bekommen? Ist das Ausbremsen heftig erregter Betroffener schon Verrat an dem Anspruch der Wende?
„Herr Peo“, sagte eine Dame, welche ihm schon bei seinen Reden von der Kanzel im Dom, ein großzügig angebotener Freiraum für die Postulanten des Umbruchs, immer vorne sitzend sehr interessiert die Entwicklung verfolgend, auffiel, „bei mir regnet es in die Wohnung. Das Dach ist undicht.“ Eine stadtbekannte ältere Molkereiwarenverkäuferin stand vor ihm. Hier konnte Peo auch einmal gleich helfen, weil der angerufene Handwerker noch guten Willens war, nicht ahnend, dass später so manche Rechnung bei den Kunden offen blieb. Der Bund packte es nicht, den Mittelstand zu schützen, die Verantwortungslosen zu zügeln.
Zurück zum Dach. Das war etwas für seine „Sich- Kümmern- Mentalität“. Doch die Zeit für solche Profilierungen war noch nicht gekommen.
„Herr Dezernent Peo, im Wäldchen über der Stadt arbeiten Bildhauer. Ein Pleinair ist zu bewundern und evt. zu fördern. Gehen sie einmal dahin“ meinte der neue oberste Verwaltungsangestellte des Landkreises. Durch eine des Französischen kundige Großmutter konnte Peo zwar die Aussprache nachahmen, aber was ist nun ein (sprich) Plähnähr, heimatlich Blänähr? Blähungen haben die Herren da oben nicht, also konnte es nicht um Tee gehen. B(P)laygirls zeigten sich auf dem östlichen Zeitungsmarkt auch noch nicht an jeder Ecke und boten sich auch noch nicht für Junioren und Senioren an. Die konnten es also auch nicht sein.
Dann die Erleuchtung: Pleinair entblößte sich als Freilichtbildhauerei. Das hätte der Landrat ja auch gleich sagen können.
Peos Großeltern pflegten zwar einen umfangreichen Bekanntenkreis, welchem Peo nur schnell einmal ordentlich „Guten Tag“ sagen durfte, blieben dann aber unter sich, so dass wenig Kulturgut dessen Ohren erreichte und sich keinesfalls Synapsen zum Begriff Pleinair, also Kontakte zwischen Nervenzellen, ausdauernd bildeten. Und die Damen hatten es in sich.
Da gab es bei den Blümchenkaffeerunden mit eingemischten echten Bohnen Fräulein Blume vom Oberlandesgericht und Frau von Usedom als Hüterin von Hausberglinden, bekannt durch die im Fahrradkörbchen sitzenden schwarzen Zwergspitze. An Hausberglinden und die Komtesse Benicna von Rittberg erinnert sich Peo immer, wenn er der mädchenhaft gebliebene jungen Frau mit ihren drei Söhnen begegnet, welche unter diesen Vier eher wie der vierte Vierling und nicht wie die Vertreterin aus der vorhergehenden Generation, also wie die Mutter, wirkt.
Zum Kränzchen gehörten auch Frau von Spechsard, deren Zwergdackel bei Gegenbesuchen der Kränzchendamen stundenlang unter dem Sofa kläffte, das am Georgentor und später am Kramerplatz lebende Künstlerpaar Grete Tschaplowitz und Bernd Grothe mit Künstlersohn Seiferth, der in Leipzig schaffte. Kunst und Kultur waren oft die Gesprächsinhalte. Einige Ergebnisse des künstlerischen Schaffens der Heimatkünstler, geerbt vom Großvater, erinnern Peo beim Betrachten an diese prägende Zeit.
Das hielt Peo aber, der Kunst und Kultur liebt und pflegt, in der ersten Legislaturperiode nach der Wende nicht davon ab, während einer Führung im Klingerhaus provokant zu bemerken, dass die Klingersche Darstellung einer schwimmenden Dame sehr ungeschickt erscheint. Perspektive und Proportion wirkten dilettantisch. Der in seinem Lebenslauf zum Kultusminister katapultierte Gast im langen schwarzen Mantel, den trugen plötzlich alle, wusste darauf nichts zu erwidern. Wie sollte er auch, hatte er doch vor kurzen erst Chemikalien gemischt und war nun dazu verdonnert, zu den fundierten Erläuterungen der Museumsleiter und Kulturexperten weise zu nicken. Er war ja schließlich nicht vom Schlage Händel, der teils oberflächlich aber dafür immer vorbereitet dazwischen zu krähen hatte in dem Bewusstsein, dass man ihm nicht widerspricht. Zu Klinger hatte Peo sowieso ein gespaltenes Verhältnis. Dessen Unbeständigkeit in Partnerschaften und liederliches Treiben auf dem Lande entsprach nicht seinen Lebensvorstellungen.
Nach langer Enthaltsamkeit besuchte Peo am ersten September Zweitausendsieben ein Max-Klinger-Haus, welches wieder in vollendeter Schönheit strahlte. Die Schwimmerin konnte er nicht entdecken. Vielleicht wird sie in einem Graben entdeckt, der von den Erbauern des Dachstuhls, diese sollen, so wurde erzählt, den Boden beräumt haben, mit angeblichem Gerümpel aus Metall, Stein und weiteren Materialien bereichert wurde.
Nicht nur die schaffenden Künstler, nein auch die rund einhundert gut bezahlten erfindenden Mandatsträger ständig neuer Schulformen, in der Hauptstadt sitzend, machten Druck. Da war auch der Gedanke an einen verehrungswürdigen ersten Landesschulrat nach der Wende, später nennt man so eine Aufgabe Staatssekretär, nicht tröstlich. Dabei wusste doch alle Welt, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand, dass eine Polytechnische Oberschule mit ihren weiterführenden Möglichkeiten und entideologisiertem Inhalt allen Denkmustern und –monstern überlegen sein könnte, dass freie Schulen in Konkurrenz, staatlich gefördert und fachlich begleitet, die Ämter können also bleiben, immer noch kostengünstiger zu fahren seien, als das politische Experimentierchaos. Wie gut Schule sein kann, wissen sogar die Leute in den Vereinigten Arabischern Emiraten. Alle Kinder gehen bis zur Klassenstufe sechs gemeinsam. Nur im deutschen Föderalismusbrei herrscht immer noch das förderale Chaos. Und erst im jetzigen Zeitraum nach 2000 beginnt das öffentliche Nachdenken der Politiker über ein zentrales Abitur, über mehr Bezogenheiten auf das praktische Leben, über mehr Naturwissenschaft, über mehr Technische Fächer, über mehr Förderung der Familien mit Kindern usw.
In das Landratsamt kam täglich einkaufsstiegenweise Post auf den Tisch. Die damals, in 1992, noch Sekretärin genannte Mitarbeiterin schröderte, ein interner Begriff für das Umverteilen durch Frau Schröder, die Inhalte in die Fachbereiche.
Die Musikschule brauchte 1990 Räume, besser ein Gebäude. Nun, die Parteikreisleitungsideologen waren ja ausgezogen, aber wer wagt die Ausfertigung eines Mietvertrags oder war es die Einweisung in dieses Haus, wenn ein politischer Rückfall nicht ausgeschlossen ist?
Händel nicht, der war noch nicht da, und wenn, dann hätte er nicht sozial entschieden.
Mit etwas Druck nun von Einzelrenner Peo im Zusammenspiel mit wenigen Eltern konnte diesem Juwel der Jugendkultur aus Stimmen, Flötentönen und Seitenschwingern ein Amtsleiter des noch residierenden alten Rates, ein Amtsleiter im verlassenen Rathaus, durchaus gewagt bei dieser Rechtslage, Hilfe zukommen lassen. Man sollte ihm (hieß er Schieferdecker?) ein „schiefergedecktes Denkmal“ setzen. (Warum gehen eigentlich Peo und das Mittelalter heute aneinander vorbei?)
Sind freie Schulen, Bildungseinrichtungen mit Berufsabschlüssen, nicht auch Jobmotoren, die zu hegen und zu pflegen sind? Wer macht das und wie geht das? Nicht vergessen: Es geht um die ersten Monate nach der Wende. Beängstigende Strukturen funktionierten noch, die „Freunde“ umarmten noch das Land.
Und nach der ersten Kommunalwahl?
Der von ihm so sehr geachtete, obwohl viel jüngere erste neue Chef, im neuen Parlament gewählt und bald hochgeachtet, die Stütze der Fraktion, nahm am Freitag, dem 31. Juli 1992 den Hut, während am gleichen Tag auf der letzten Betriebsversammlung des VEB Metallwaren (MeWa) den Mitarbeitern ein für sie hoffnungsloses Possenspiel zwischen Treuhand und einem Investor vorgeführt wurde. Die Drahtzieher der misslungenen Übergabe saßen in Halle, uninteressiert an den betroffenen menschlichen Existenzen, echte und erfahrene Wessis eben. Ein nicht revisionssicherer Vertrag soll den Ausschlag gegeben haben. Die Niedersächsin Breuel, deren exklusive Büros beim Bundesrechnungshof Missfallen erregten, ließ grüßen.
Peo konnte ihm, dem scheidenden und müde gewordenen Lokführer, so nannte sich der Behördenchef beim Abschied, nur traurig „Machen Sie’s gut“ sagen. Die Enttäuschung saß so tief, dass es von ihm, von der Fraktion, keine Blumen gab. Dafür regnete es umso größere Sträuße von der Opposition. Man hatte alle Weichen hinter den Türen gestellt und war vom Sieg des eigenen Oppositionskandidaten überzeugt. Die von Peo beantragte Auszeit während des zweiten Wahlganges im schwarz- gelben Einvernehmen führte zwingend dazu, dass der neue schwarze Landrat, als Populist von der Opposition kritisiert, aber von Peo mit standhaft und belastbar charakterisiert, als Mitglied der Fraktion Peos die „einem anderen, einem roten Kandidaten zugedachten Siegesgaben“ in Empfang nehmen konnte.