5.2.6. Töchter und Söhne
5.2.6. Töchter und Söhne
Es kam die Geburt der Tochter. Welch eine Freude für die Eltern, die Großeltern und den nun betreuenden Bruder. Der musizierende Tüftler und Bastler, versehen mit einem Album voller Urkunden und Preise für Elektronenorgel, platzende und arg staubende Kohleabriebwurfgeschosse, erhalten auf den Messen der Meister von Morgen, den Olympiaden junger Mathematiker und Physiker, den Festen Junger Künstler durfte sich nun auch noch mit der Psychologie und Physiologie eines Babys beschäftigen, was er auch tat. Versuche, die kleine Schwester in einem Dreirad-Kastenwagenanhänger-Track unfallfrei zu transportieren sind nicht staatlich beurkundet, wohl aber bildlich belegt.
„Ist das euer Baby?“ rief verwundert eine Kollegin aus, welche die stolzen, wenn auch für DDR-Zeiten etwas reiferen Eltern, die sie lange nicht gesehen hatte und auf einem Spaziergang traf. „Das ist doch nicht etwa auch noch ein Mädchen?“.
Dieses Mädchen bastelte dem Vater zum Abschied im Dezember 1989 als Andenken ein Papierblümchen, welches dazu führte, dass er , der genervte und keine politische Heimat findende, seine Reisetasche wieder leerte und das unüberlegt getroffene Vorhaben, auszuwandern, aufgab, in der Heimat blieb, komme, was da wolle.
Später bedankte sich Peo bei der Bewunderin seiner Tochter, der Mutter von zwei Söhnen, welche nun endlich eine Enkeltochter, ein Mädchen bekam, mit einigen Versen, wie in „Peo, kein Dichterfürst“ zu lesen.
Heimat? Auch das war natürlich die alte Republik. Mit Arbeit versorgt, sozial betreut, durch den Mangel zur Findigkeit erzogen. Man konnte die Augen bei Nachwuchs unbesorgt strahlen lassen. Die Wechselbäder für Eltern mit Kindern konnten dann in der nachfolgenden Wohlstandsgesellschaft genossen werden.
Weiter im Leben ging es mit der Entdeckung dreier Halbgeschwister, mit der Verwechslung seiner nun schon weißhäuptigen, bärtigen und in festliches Dunkel gekleideten Person im Jahr 1986 mit einem als Festgast erwarteten „Herrn Oberkirchenrat“ anlässlich der Weihe seines nordelbischen Halbbruders, zu welcher Peo erstmalig hager wirkende und im halben Rückwärtsgang gebeugt gehende höfliche Mitarbeiter hautnah erleben durfte, bis mit der Aufklärung der Verwechslung seiner Person mit dem OKR auch die Haltung wieder aufrecht wurde,
Dem nordelbischen OKR verdankte Peo etwas später, im Frühjahr 1990, einen Brief besinnlichen Inhalts, der Dank seiner akademischen Laufbahn und Dank seines Berufsethos nicht zu vorschnellen Worten neigte und in Peo eine Seite anschlug, welche seinen Vorsatz prägte, immer in den Bandbreiten von Humanität, Geradlinigkeit und Konsequenz im Handeln fahren zu wollen.
Bei aller Not, im östlichen Umgang herrschten außerhalb von Zwangsanstalten der gerade Blick und der aufrechte Gang. Sogar den Radfahrern war der körperliche Bückling fremd. Händel nicht, wie weiter oben zu lesen war.
Musste er wieder einmal zum Disziplinargespräch in Vorbereitung eines Disziplinarverfahrens seinen Vorgänger, den Kreisschulrat aufsuchen, dann konnte er sich erlauben, dass Haupt nicht gesenkt zu halten weil er wusste, das ihm dessen Rechtsempfinden zu Gute kommt. Er schätzte wahrscheinlich Duckmäuser, Parteibeflissene und Anschmierer nicht.
Als am 21. Mai 2005 der ehemalige Genosse Dr. Engelmann, Kreisschulrat, verstarb, widmete ihm keiner seiner Genossen einen Nachruf. Wohl aber Peo, sein Nachfolger, welcher durchaus nicht von ihm, dem Doktor phil. oder päd. verschont worden war. Es hieß darin:
„Er musste parteilich wirken, aber er zügelte die systemnahen Eiferer, er schützte die Verfolgten. Danke“.
Bei der mittlerweile dominierenden Tagespresse musste Peo erleben, dass erst nach einigen Rückfragen bei der oberen Heeresführung eine Zustimmung zur Veröffentlichung gegeben wurde. Wer erklärt Peo einmal dieses Verhalten als übereinstimmend mit der Verfassung? Vielleicht ein Redaktionsleiter? Vielleicht der Herausgeber des Tageblattes?
Beflissene und Schmierer hatten Peo schon 1965 aufs Korn genommen. Während einer Schulleiterberatung in der Erweiterten Oberschule vor den Toren einer Kurstadt notierte ein beflissener Teilnehmer am Nebentisch, dass Peo in der politischen Schulungsstunde nichts notierte. Dieser jetzt nun auch schon gealterte Knabe, läuft ihm auch heute noch bei Markttagen und Klassentreffen der ehemaligen Polytechnischen Oberschüler aus der Weißenfelser Straße über den Weg, kleidet sich dank der Rente im Staat der Revanchisten und Militaristen auffallend wohlhabend oder mehr konservativ? Da kann man nur sagen: „Herr Richter, was spricht er?“
Hin und wieder hatte man den Eindruck, dass der Kreisschulrat zu Tadelnde nur einlud, um seinen Leuten klar zu machen, wer im Amt der Chef ist. Peo muss aber auch zur Selbstkritik bereit sein und zugeben, dass sein Fehlverhalten zwangsläufig zu Einladungen führte. Oder war es etwas ganz anderes?
Wusste er etwa von Peos Eskapaden am Pädagogischen Institut in Erfurt? Hatte er sich innerlich vielleicht mit Peo solidarisiert, er, der Parteisoldat, welcher strengsten Regelungen unterlag?
Peo wurde1960 im Literaturseminar von einem Dozenten gefragt, ob er bereit sei sich zu opfern, auch Folter zu erdulden? Peo gab ziemlich barsch an, dass er für eine Überzeugung, welche er nicht habe, so nicht handeln würde, wie der „Brechtsche Galileo Galilei“. Er würde seinen abgenötigten Eid als Soldat widerrufen und abschwören. Dem Vorgang erfolgte noch am gleichen Tag ein Gespräch mit dem Institutsdirektor. Dieser war kurz zuvor aus dem Zentralkomitee oder der zentralen Parteihochschule abgeschoben worden und wurde Hochschulleiter. Zu seinen ersten Amthandlungen gehörte es, den exponiert untergebrachten Lehrstuhl für Marxismus-Leninismus in die Kellerräume zu verbannen.
Glück gehabt. Peo. durfte bleiben. Stand das in irgendeiner Akte? Nach der Wende waren die Kaderakten alle bereinigt worden und Berichte nicht auffindbar. Nur Peos Ehefrau, eine wahrhaft unschuldige unter den unschuldigen Grundschullehrern fand eine ausgesprochen miese politisch motivierte Beurteilung ihres ehemaligen Schulleiters Eifrig der Teiloberschule Wethau aus dem Jahr 1969, Falkos Opa, in den nach der Wende zugesandten Akten.
Nun aber zurück zur nordelbischen Weihe. Der devote Stil begegnete ihm erst wieder nach der Wende in einem Ministerium, als die um Karriere bemühte Nomenklatura, aus Bezirksabteilungsleitern wurden plötzlich Minister, nicht mehr „der Minister hat ...“, sonder „der Herr Minister haben gesagt“ säuselte. Eine begrenzte Menge Ausnahmen ist ihm aber auch bekannt.
Viel weiter unten blieb man normal. Hausmeister, welche die Mütze abnahmen, wenn der Schulrat erschien wurden gebeten, dies doch bitte nicht mehr zu tun.