3.6. Aus der bunten Welt der Vögel
Die Hingabe zu einer Idee, hier zum gleichen Anliegen, hat sicher tiefenpsychologische Ursachen. Peo gelang es immer wieder einmal, sich in etwas hineinzusteigern, was sich noch als eine wenig taugliche Eigenschaft zeigen sollte.
So auch bei der Frage, wie groß wohl Kaiserpinguine werden. Diese stellte ein Fünftklässler aus Gieckau, einer Gemeinde im Einzugsbereich der Wethauer Schule, an die Lehrkraft, welche aus Gründen mangelnder Fachbesetzung so um 1965 den Biologielehrer ersetzen musste. Wie groß wird ein Pinguin und zwar ein kaiserlicher? Dieses herrliche Tier mit dem farblich scharf abgegrenzten Federkleid konnte doch nur von besonderer Größe sein. Die Logik setzte aus und die Phantasie ein. „Ich denke“, so die nachdenkliche Antwort, „an die zwei Meter werden es wohl sein“. Christians Freund Eric würde sagen: „Respekt, Respekt“.
Die Kinder sagten nichts, versanken in ehrfürchtiges Staunen, fingen an zu blinzeln und plötzlich sahen sie vor sich nicht mehr Peo, sondern einen Pinguin von 180 Zentimeter Höhe hin und her wandeln. Mit dem Klingelzeichen zerfloss das Bild und es verschwanden auch die am Türspalt dieser hellhörigen Schule mithörenden Kollegen.
Herbert Kreißig und Rudi Zentgraf, die Kollegen, witzelten kichernd noch eine Weile, bis sie Peo eines Besseren belehrten. Dabei wurde auch gleich die Frage geklärt, ob Pinguine kalte Füße bekämen, wie so mancher vor der Entdeckung stehende Informant. Zum Dank für diesen Alltagsspaß hat dann einer von den beiden auf einem Tisch nachvollzogen, wie sich ein Wiederkäuer auf der Weide niederlegt. Wer kann den Vorgang beschreiben? Erst vorne runter oder zuerst hinten? So lustig und ungezwungen konnte Schule sein.
Auch aus einer fünften Klasse beschwerten sich 1969 die Mädchen, weil nach der Biostunde über die Bienen, nicht von Peo und viel später gehalten, ein Mitschüler drohte, er werde sie bestäuben, wenn sie so laut gackerten.
Ob sich der drohende Wilfried Schwalbe, die Mädchen Inge Ronneberger, Heike Schmidt, Gabi Nimmrich und ihre Klassenkameraden aus dem Wethauer Schuleinzugsbereich noch daran erinnern?
Händel nun hatte diese Form des selbstbewussten Vortragens eines Phantasiegebildes ja sogar studiert. Er hatte auch in einer Aufarbeitungsbehörde für Unrecht in Salzgitter Möglichkeiten, solches Kennen zu lernen, selbst wohl aber wenig Phantasie entwickelt, sonst wäre er auf einen passenderen Schmuck gekommen, die geringe eigene Auffälligkeit mehr kaschierend, als auf eine rote Kappe, welche er im Wahljahr trug.
Der Buntspecht hat eine von der Natur gegebene rote Kappe als Zeichen seiner Männlichkeit, passend zu den breiten Schultern und den geraden Beinen, falls man einem Vogel mit solchen Körperteilen kommen darf.
Wozu aber trägt ein Kommunalpolitiker 2003 eine rote Kappe wie die Fallschirmjäger? Ist er ein bunter Vogel? Ein schräger Vogel? Ist diese Kappe ein „Stück Meereswoge in dem Meer von Eitelkeit“? Ist diese vielleicht ein Hinweis darauf, immer auf den Kopf schauen zu lassen, um seinen Trampelpfad davor und dahinter zu übersehen? Oder wie Wilhelm Busch’s „Hans Guck – in – die – Luft“ in Fallen zu geraten, weil man ja den Weg nicht sieht?
Die Zeit relativiert so einiges. Am 1. April des Jahres 2008 sah man ihn schwarz gekleidet und bekappt am Schokoladenweg vorbeiradeln. Also immer noch radeln, jetzt wohl mehr der Gesundheit dienend. Im September 2011 fiel er um die Mittagszeit als dünnbeiniges Männchen im Radfahrerdress mit Fahrradhelm auf.
Damals, im Jahr 1992 soll das Treten nach unten, so hörte man auf dem Planeten, ausgiebig auch auf einer Radtour mit einem Landesvater trainiert worden sein. Die sehr fleißige und schwarznahe Heilig-keit einer Sternpresse, oder war es ein Kollege, berichtete, wie Händel hinterher hechelte und mal Herr Präsident, mal Werner, mal Hoheit ausrief, um akustisch nicht verloren zu gehen, dem Volk und den mithechelnden Journalisten die Nähe zum Chef deutend.
Diese eben genannte berichtete wohl auch ihrem künftigen Leitstern von einem nächtlichen Gespräch mit Peo als „dem Mann von der Straße“, welcher sich über eine Sitzung ärgerte, nicht ahnend, dass alles nur noch „streng geheim“ zu sein hat, was Händel so von sich gab.
Tja, wieder diese Gutgläubigkeit, immer noch kein bisschen misstrauisch. Noch heute, also später nach Sternenzeit, bekommt Peo vor Zorn rote Haare, wenn er an sie und daran dachte. Zur Ehrenrettung der Journalisten muss aber gesagt werden, dass am gleichen Abend auch ein Pressevertreter mithörte, welcher Peo eine ganze Weile sachlich und offen begleitete. Dieser stieg ja dann auch auf der Leiter weiter nach oben. Oder wurde er weggelobt?
Die Zeit war wohl noch nicht reif für den „Streit um die Sache“ und nicht um die Ideologie? Auch gegenwärtig sind die Außerirdischen wieder dabei, Plätze zu erringen und nur ein ungebundener wagt es, eben weil ungebunden, seinen Traum zu formulieren: „Es muss doch 2007 möglich sein, mit allen Fraktionen wichtige Entscheidungen bei guter Zusammenarbeit zu fällen!“. Vor Ostern ein frommer Wunsch! Wird er es gegen alle politfarbigen Verbandelungs- und Kanalpolitologen, sprich gegen Untergrund- und Hintergrundspezialisten, schaffen? Weiß er, dass harmlos wirkende Hinterbänkler in dieser Sparte besonders gut funktionieren?
Aus dem Umgang mit bunten Vögeln konnte Peo aber auch durchaus Lehren ziehen. Im Volksmund sagt man: „Nicht so weit aus dem Fenster hängen“.
„Mitfreude und nicht Mitleiden macht den Freund“ sagt der Philosoph.
An einem Sommermorgen so gegen Halbsieben saß Peo mit dem Rücken zum offenen Fensterflügel eines dreistöckigen Plattenbaus, welcher in Richtung Süden zur Weißenfelser Saale zeigte. Es war nach 1997, die Schulämter wurden zusammengelegt. Man kann auch sagen: „Sie wurden kaserniert“. Wie immer hatten politische Landeslenker behauptet, dass dieses eine Kostensenkung brächte und dabei vieles, wie z.B. Mietbindungen, Umzugskosten, Ausstattungen und die Wünsche der Bevölkerung nach einer erreichbaren und ortsnah reagierenden Behörde übersehen. Alle Bedenken halfen nichts. Die Kostensenkung entpuppte sich als eine Kostenexplosion.
Das musste auch einen Papagei neugierig gemacht haben. Als Peo hinter sich ein auf dem Zinkblech der Fensterbrüstung kratzendes Geräusch vernahm, drehte er sich um und konnte einen wunderschönen großen Papagei in blau-gelb begrüßen. „Hallo, welch eine Freude, schon in aller Frühe einen Besucher zu sehen! Darf ich dir beim näher kommen helfen?“ Aber immer, wenn Peo seinen Zeigefinger zum Aufsitzen hinhielt, verzog sich dieser hinter die Scheibe des Nachbarflügels. Radio Brocken, damals noch auf Sendung, rettete die Situation. Mit einem Anruf Peos wurde landesweit der Vorgang ausgestrahlt und bald meldete sich der Besitzer, ein Züchter vom gegenüberliegenden Ufer der Saale.
Bevor dieser mit der Geliebten des ausgebüxten Männchens eintraf, hatten sich schon einige der anreisenden und Autoradio hörenden Mitarbeiter des Hauses mit Leckereien im Raum des oberen Stockwerkes eingefunden. Fasziniert schauten alle zu, wie der Vogel in der einen „Hand“ die Apfelscheibe hielt und mit den daumen- und zeigefingergroßen Schnabelhälften die Schale ausschabte. Mit dem Eintreffen der Dame seines Herzens wanderte er flugs in den Vogelkäfig. Schade um seine Freiheit, aber uns ging es ja mit dem Zusammenlegen der kleinen, effektiven, bürgernahen und kostengünstigen Behörden nach 2007 genau so, nur ohne lockende „Herzensdamen“.
Obwohl kaserniert, folgte uns noch eine ganze Weile der gute Ruf, als Ratgebende freundlich und kompetent zu sein.
Das muss wohl auch die Gattin des Papageibesitzers, eine Grundschullehrerin, am heimischen Herd geäußert haben. Wie sonst wäre wohl der Vogel auf die Idee gekommen, unser Schulamt anzufliegen? Warum sonst hätte er den Zeigefinger verschont? Den zu kappen wäre ihm ein leichtes gewesen, meinte der Züchter.
Nun, Peo ist froh, damit nicht in die Gilde der Tischler und Schreiner aufgenommen worden zu sein.
Also - mitgefreut macht den Freund, und sei es nur ein Papagei. Das meinte sogleich auch ein Anrufer aus dem Kultusministerium, welcher die Aktion mit verfolgt hatte. Dürfen die dort in den Amtsstuben Radio hören? Den untergeordneten Ämtern war das untersagt.