3.11. Einblicke in den Sandkasten, über die Kadett

3.11. Einblicke in den Sandkasten, über die Kadette bis Guinea, in die Arabischen Emirate und in den Jemen

Hätte sich sein Lebenslauf für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit, für einen Pendler zwischen Ost und West, als eine standfeste Basis geeignet? Überschätzt er sich und war er nur eines von vielen kleinen Würstchen? Aber warum wurde dann zwischen 1970 und 1980, ihm dem Lehrer und Nichtgenossen, der Leiter der Staatssicherheits- Kreisbehörde Oberstleutnant Bach - als Jugendweihepate zugewiesen? Wer sich erinnert - die Paten hielten dann zur Weihe der Jugendlichen die Festrede. Sie besuchten also die Schulklassen, um die, über welche sie dann in ihrer Rede Bezug nehmen wollten, kennen zu lernen. Eigentlich doch eine wunderbare Geste, geprägt von Vertrauen in den Paten, in die Nochkinder, welche nun bald in den Kreis der Erwachsenen aufzunehmen sind. In dieser Situation waren auch alle geblendet glücklich, wie bei Hochzeiten, Konfirmationen oder heimlichen, dann aber ohne Einsicht durch umfangreiche Verwandtschaft und Freunde, innigen Verlobungen zum Beispiel auf den höher gelegenen Hügeln hinter den Mauern der „höheren Bildungsanstalt“ (ahme beim Sprechen Pfeiffers Professor, den Schauspieler Ponto, nach), der Landesschule an einer geologischen Pforte.

Wer dachte da schon in seiner Unschuld an den Wahlkreisinhaber Genossen Generaloberst, an das Zuchthaus Bautzen, an Halles Roten Ochsen, an tote Grenzverletzer, an vorbereitete Auffanglager für Oppositionelle nicht nur in Erfurts Nähe, gefüllt auch mit der belasteten Klientel kirchlicher Hochschulen und pädagogischer Religionsinstitute? In den Archiven der Nachwende liegt belegt vor, dass die gesamte Mannschaft der Kirchlichen Hochschule Naumburg eingesammelt worden wäre. Bei einem Ernstfall auch für Peo? Oh Graus. Es wurde jüngst bekannt, dass die Lager, egal unter welchen Herren, sich alle gleichen und nichts mit sozialistischer Ethik und Moral am Hut hatten.

Warum war Peo registriert?
Dokumente über ihn enthielten Stempel und Bemerkungen mit folgenden Angaben:

Stempel MfS Halle/ Eing am 6.4.1982/ Tgb. Nr.573/82/ Weiter an AG A/I
KD/DV Naumburg/ Kenn.Nr. 3.1

Er hatte noch keine verfestigte negative Meinung zum gesellschaftlichen System der DDR, äußerte sich aber offen zu verbesserungswürdigen Erscheinungen. Das schien zu genügen. Die Staatsorgane hatten nämlich ein Feindbild erarbeitet, dass weit über den politisch motivierte Oppositionellen hinausging.
Am Tag X im Dezember 2008 sollten innerhalb von 24 Stunden 85 939 Bürger in Lagern verschwinden. Die Familien, Arbeitskollegien, Bekannten bekämen keinen Hinweis zum Aufenthalt, hatten keinerlei Rechte der Nachfrage. Das waren beste Voraussetzungen, um später zu Liquidieren. Wie eine solche Nachricht an die Angehörigen auszufallen hat, wurde bereits im Dritten Reich vorgemacht. Peo wäre als Naumburger in der „Veterinärmedizinischen Fachschule im Schloss Beichlingen“ bei Erfurt gelandet.
Je mehr Peo darüber erfuhr, umso mehr zweifelte er daran, richtig gehandelt zu haben, als er von den missbrauchten Stasimitarbeiter und Helfern Entschuldigungen entgegennahm, als er für ihre Eingliederung in die neue Gesellschaft eintrat. Sind unter ihnen nicht zu viele, welcher aus Habgier, Karrieredenken oder Freude an der Angst anderer mitmachten?
Wussten diese Leute, dass unter dem Code-Wort „Sandkasten“ fünftausend Menschen im Bezirk Halle für den Leidensweg registriert waren, die am Tag X mit der Losung „Wüstensand“ in Internierungslager marschieren sollten. Peo ahnt heute und weiß von einigen, wer die Häscher, die Mitglieder der Isolierungsgruppe waren, damals gut getarnt und untergebracht im Anbau des heutigen Strafvollzugs, im Pendelzug zwischen Chemiebetrieben und dem Ministerium, in Schulen und Schuhbuden. War Dr. Leim von der Schuhbudenakademie, so wurde er verächtlich genannt, auch einer? Hin und wieder konnte Peo beim Grübeln verzweifeln. Wie schnell ist doch der Mensch (oder nur er?) geneigt, nur noch von Misstrauen geplagt zu werden. Oder ist diese Neigung nur eine von der Natur gegebene „Freude am Unsinn“, „Menschliches Allzumenschliches“, wie Friedrich Nietzsche, der Erdenbürger, meint?

Wer dachte am Festtag schon an die Kreaturen, gemeint sind nicht seine hauptamtlichen Bediensteten, die ihn, den Staatssicherheitsminister mit Bücklingen empfingen, durch ihre Betriebe führten, in den Ämtern und Zentralen beweihräucherten. Nehmen wir es ihnen nicht übel. Eingebunden als Werktätiger hatte ja jeder seine Familie und sich selbst zu ernähren. Und jeder, auch wenn er es nicht zugibt, hatte ungeheure Angst zu haben oder musste sich fürchten vor diesem ungebildeten und primitiven Oberchef.

Also: Mütter, Großmütter und Tanten schluchzten vor Rührung, Väter, Opas und manchmal auch die Onkel räusperten sich – und sogar die manchmal bösen, heute aber in die Dankesworte der Schüler als ganz lieb, engagiert und fürsorglich eingebundenen Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und auch Peo hatten Tränen in den Augen.

Und waren sie nicht gut? Omas, Opas, Mütter und Väter hatten Arbeit. Kinder gab es zuhauf. Kriminelles wurde von den Menschen ferngehalten. Genehmigte Erotik, ob Kunst, Kitsch oder kräftig beschrieben führten nicht zu gehäuften abartigen Neigungen gegen den Willen des Partners oder der Partnerin. Gegen das Rauchen, Trinken und weiteren Missbrauch konnte man pädagogisch verantwortlich vorgehen. Das schaffte natürlich nicht jeder, der Zugang zu den empfindsamen Seelen der Zöglinge hatte.

Peo erinnert sich im Traum, Dichtung oder Wahrheit, an einen Ingenieurpädagogen im Unterricht der Produktion. Der riss den Schülern westliche Aufkleber, auch die vom Enterich, von den Federmappen. Nach der Wende, fast wäre er ein Rechter geworden, erspähte er die Lücke, welche Peo nicht mehr ausfüllte, und wurde ein treuer Vasall des Kastrators (wie dieses Markenzeichen entstand ist schon geträumt, festgehalten und wird weiter hinten erscheinen), welcher Dank seiner Erfahrungen Leute um sich versammelte, die leicht mit ihrer Vergangenheit, mit ihrem Charakter, mit ihrer niedrigen moralischen Hemmschwelle zu gängeln, zu manipulieren, zu erpressen waren. Des Federmappenenthusiasten hobbyartige Rechtskenntnis wurde auch gleich als scharfe Waffe gegen eine unbequeme alleinerziehende Türmerin, immerhin langjährig derselben christlichen Partei zugehörig, eingesetzt. Sie wurde arbeitslos, ausgerechnet sie, die 1981 der Presse sagte: “Dieses Läuten möchte ich nicht missen“.
„Viele Jahre hat die Türmerin Angelika Thee traditionsgemäß ihr Amt verrichtet, während schon 1885 der letzte Türmer des Doms, Karl Schenk, für immer seine luftige Höhe verließ. Man muss beweglich genug sein, um die große Glocke anschwingen zu können, die mittlere Glocke zum Schwingen zu bringen und die kleine Glocke voll zum Klingen so zu bewegen, wie es am Tag nach dem großen Stadtbrand 1518 für die geschmolzenen und neu in Auftrag gegebenen Glocken vorgesehen war“ schrieb im Dezember 1981 ein Redakteur in der LDZ, der „Liberal Demokratischen Zeitung“.
Am Tag der Vertreibung hatte sie ihre Beweglichkeit durchaus noch nicht verloren, die nun im Garten der Moritzwiesen hin und wieder dem Geläut Zuhörende.

Auch Peo war leider kein Unschuldslamm und konnte gewissen Ritualen nicht ausweichen. So drängte er in den siebziger Jahren eine Schülerin, am Luftgewehrschießen teilzunehmen. Sie blieb standhaft und Peo wurde für kurze Zeit nachtragend. Sein Motiv: Die nun nicht voll zu bewertende Leistung des „Schülerkollektivs“ durch die Hausleitung könnte zum Stigma für alle werden, denn Kollektivstrafen gehörten zum System. So würde auch ein Schüler schnell zum Klassenfeind. Die Auswirkungen könnten langfristig sein. „Petra, kannst du Peo verzeihen?“ grollt es noch heute in ihm.

Nicht verzeihen muss ihm Gert, der bis heute nicht begriffen hat, dass die Delegierung an eine erweiterte Oberschule der Kreisbehörde vorbehalten blieb und in einem wenig Ritter-lichen (Ritter kommt von Journalist) Bericht der Nachwendepresse, Peo habe dessen Weg behindert, beklagt wurde. Gert wurde in der DDR ein Volkspolizeichef. In der Karriere behindert?

Auch träumte Peo von einem Historiker, welcher sich in seiner unschuldigen Jugendhaftigkeit den Braunen verschrieb. Das störte Peo nicht, denn er sah vor dem Krieg seinen Vater auch immer in dieser braunen Kluft. Das war wohl so vorgeschrieben und ließ keinen Schlüsse auf dessen Geisteshaltung zu. Da er noch sehr klein war und hinter dem Ladentisch der Apotheke mit deutschen Soldaten und Kanonen auf Sieg spielte, sah er aber meistens nur die schwarz wirkenden Stiefel. Liebte er deshalb später die Schwarzen so sehr?

Dann wurde der Historiker Einheitsroter. Das störte Peo auch nicht, er wurde ja auch Einheitsgrüner. Der Historiker suchte nun auch, wenn der Schulleiter es wieder einmal anordnete, mit Akribie nach westlichem Gedankengut in den Köpfen und Schülertaschen. Als er sich aber dann, und das ist nun aber nicht mehr zu entschuldigen, auch nicht entblödete, in den achtziger Jahren das Westerwald singende und dabei schunkelnde Kollegium bei der Schulbehörde anzuzeigen, befleckte er sich. Was blieb dem Antiwelt-Kreisschulrat, Peos Vorgänger, übrig, als den Vorgang weiterzugeben? Leidtragender war am Ende der Gastwirt, dem ein gelungener Diskoabend viel Ärger und wirtschaftliche Sanktionen einbrachte. Nach der Wende konnte der Pfortenwirt erzieherisch eingreifen und dem Übereifrigen die Tür weisen.

„Mal ehrlich Peo, so richtig gefällt dir das sicher nicht, „gelle“ (so reden die unter der Burg lebenden). Du hättest um den „Bruder im Leid“ sicher noch gerungen“.

Aber diese Voraussetzungen zu solchem milden Handeln gibt es eben nur auf Erden, nicht hier im Außerirdischen!

Dem oben genannten Übereifrigen war aber die Schamgrenze auch weiterhin fremd. Er führte nebenher Touristen durch die Stadt. Fachlich eben ein Ass.

Würden die Befleckten, vielleicht sogar in Tradition überzeugten doch weiter ihre Orden- und Ehrenzeichen tragen. Dann könnten alle, welche sauber mit der Vergangenheitsbewältigung umgehen, doch hin und wieder nachfragen, um diese Verhaltensweisen zu verstehen. Standen vielleicht Zwänge hinter dem Tun, du nach Außen wirkender Biedermann?
Es gab auch Situationen, die zum gegebenen Zeitpunkt vielleicht naiv erschienen, aber von einer anderen Seite aus parteipolitisch betrachtet besser vermieden worden wären? Heute, im Jahr 2008 zeigt sich mehr als 1964 die Antwort, richtig gehandelt zu haben. Belegte Geschichte ist mehr, als Parteipolitik.

Zu der Zeit, in welcher in Vietnam ein fürchterlicher Krieg wütete, organisierte Peo als Schulleiter eine Sammelaktion mit dem Ziel, Fahrräder dorthin zu spenden. Ein Botschafter des Landes nahm diese symbolisch entgegen. Alle waren sich einig, einem bedürftigen Land geholfen zu haben, welches grausamen und übermächtigen Gegnern gegenüberstand.

Niemand von uns ahnte etwas von den Großmachtvernetzungen und Parteistrategien, eigene Völker opfernd, die erst viel später der Öffentlichkeit bekannt wurden. Damals zählte für viele nur der Glaube an die humanitäre Pflicht, welcher mit Einfallsreichtum und Begeisterung nachgegangen wurde. Befleckt, weil dem Kriegstreiben gedient?

Die sich im Jahr 2007 versammelnden Jubilare und Gäste, welche in der Kadette 50 Jahre eine militärische Bildungseinrichtung feierten, scheinen sich wohl auch nichts weiter gedacht zu haben. Die Presse berichtete auf jeden Fall nichts vom ausgeübten Missbrauch des Hauses in der Domstadt der Antiwelt aus der Zeit vor 1989.

Und das es nur um die „Fachschulen zur Wiedereingliederung von ausscheidenden Soldaten“ ging, scheint als Begründung für das Verschweigen nicht ausreichend zu sein. Die Presse spielte wie immer mit und schwieg auch. Umso eifriger werden die Knoten der Seilschaft zu passenden und unpassenden Gelegenheiten, hier durch ihre Heilig-keit, immer wieder auf Kosten der Abonnentenschar geknüpft, wie beispielsweise die am 10. April anlässlich der Ehrung eines Deichwartes herausgehobene Mitteilung, dass Händel beim Hochwasser aktiv beim Verlegen von Sandsäcken beteiligt war. Wie schade, dass davon keine Ablichtung oder eine Darstellung in Öl mit rotem Käppchen und blauem Kittel existiert. War er der Einzige am Deich unterhalb einer Schönburg?

Zu der Zeit, in welcher in Deutschland Frieden herrschte, im Jahre 1996, gab es in der friedlichen Kleinstadt ein Institut, an welchem ausländischen Militärangehörigen im Rahmen einer Berufsausbildung Sprachen vermittelt wurden.

Ein junger Mann aus Guinea, einem Land Westafrikas, folgte der Empfehlung seiner Betreuer und schaute sich nach deutschsprachigen Helfern um, die seine Freizeit mit freundlicher Nachhilfe ausfüllen könnten. Peos Frau, nach einem Unterrichtsvormittag leicht erschöpft und mit nur wenig Wachsamkeit gegen das, was auf sie zukommen könnte, ausgerüstet, hatte gerade den ersten Teil des kleinen Anstiegs zwischen zwei eben verlaufenden Straßen gleich neben und hinter dem Institut zurückgelegt, als ein sehr dunkelhäutiger junger Mann sie nicht all zu stockend ansprach. „Madam, ich habe eine Bitte und so weiter und so fort“. „Na, dann kommen sie einmal mit mir mit“, nickte die Angesprochene und beide landeten zweihundert Meter weiter im Garten.
Als Peo am hellen sommerlichen Abend zu Hause ankam, saßen da schon die zwei sich erholt und gelabt habenden einträchtig in die Unterlagen Einblick nehmenden zur Korrektur zusammen. Der zivile Militär und wir verlebten eine wunderbare Zeit. Täglich änderten wir unser verschwommenes Bild von Afrika und den Afrikanern. Täglich erhielt dieses Land schärfere Konturen. Welch ein Mann! Während eine in unserem Haus zur Miete wohnende Gastgymnasiastin nicht umhin konnte, den durch die Jeans sich abzeichnenden Sitzmuskel zu bewundern, bewunderten wir alle seine Geisteshaltung, sein Wissen und sein Können. Er beherrschte die Landessprache Französisch, die Stammessprache der Mutter, die des Vaters, immer fließender Deutsch. Fofuna Boukariou liebte Reisgerichte, welche wohl nur spärlich in der Kadette anstanden. Wie lustig, wenn er vom Patriarchat und als Vaters Stellvertreter von seinen Pflichten gegenüber seinen zu behütenden Schwestern, denen er schon hin und wieder eine kleine Freiheit gewährte, erzählte und dann erstaunt die Augenbrauen hob, wenn Peo bei einem geäußerten Wunsch ernsthaft betonte, erst die Chefin, seine Frau, fragen zu müssen. Autotouren genoss er, Gespräche liebte er, Fußball vergötterte er. Auch der geräucherte Bückling bei Winters Kiosk an der B 88 in Richtung Jena sagte ihm zu.

Eines Abends, es dunkelte sehr, die Terrassentür war leicht geöffnet, lief ein wichtiges Fußballspiel. Boukariou zappelte bei jedem Pass, in Peos Sessel sitzend, mit. Peo begnügte sich im Hintergrund, die Situation im Sessel seiner Frau genießend, dem Spektakel zuzusehen. Als ehemaliger Klassenlehrer das Gras wachsen hörend, duldeten seine empfindlichen Sinneszellen ausnahmsweise die etwas stärkeren Schallwellen.

In dieser auf das Spiel ausgerichteten Konzentration aller betäubten Sinnesorgane kam seine Frau von einer Elternversammlung heim und sank, Peo in ihrem Sessel sitzen sehend, in den seinigen.

Mit einem Aufschrei, wie ihn nur weibliche Wesen mit gut ausgeprägten inneren und äußeren Lungenflügeln von sich geben können, schoss sie wieder aus dem Sessel heraus. Sie war fast auf dem Schoß unseres dunkel gekleideten, dunkelhäutigen, in dämmriger Dunkelheit sitzenden Boukariou gelandet. Diese Geschichte musste sie noch hin und wieder in ihrem Kollegium erzählen. Sie zeugt von den lustigen Seiten des Lebens.

Am Sonntag, dem 17. Februar des Jahres 2008 so gegen dreizehn Uhr, es war kalt, stand ein immer noch junger Mann, nun aber schon Leutnant, an einem der Fenster der Kadette und betete. In dem Moment ging ein älteres Ehepaar am gegenüber liegenden Casino im strahlenden Sonnenschein vorbei. Boukariou hatte die Sehnsucht nach einem Freund, welcher hier studierte, die gesunde Neugier, was es in seiner Ausbildungsstadt Neues gibt und ein Auftrag seines Landes nach 12 Jahren hergeführt.
Das Gebet gerade beendet sauste er bei drei Grad Minus zum Haupttor hinaus und lief verschmitzt lächelnd auf das Paar zu. Diesmal kam es zu einem etwas milderen Aufschrei der Überraschung und man lag sich so gut wie in den Armen.
Ein langer Abend folgte mit Bildern vom USB- Stick und vom Windows-Vista-Speicher, mit Dönertellern aus der Salzstraße und mit viel Freude am Wiedersehen. Seine Stadt Conakry. Welch eine Stadt, diese Hauptstadt Guineas, Hauptstadt vieler Klimazonen. Siehe www.conakry.diplo.de/.../touristisches
Im September 2009 ist in diesem eben noch gelobten Land ein Krieg zwischen dem nach Demokratie rufenden Volk und dem Militär ausgebrochen. Was ist wohl aus unserem Freund geworden?

War es richtig, wenn auch mit viel Freude wie beim Fahrradsammeln, den jungen Mann zu fördern, der immerhin zu jeder Zeit militärisch geweckt und dann missbraucht werden könnte? Befleckt man sich damit auch? War es sehr leichtsinnig, ihm in die Heimat Haushalttechnik und Fußballschuhe zu senden? Wäre es richtiger gewesen, ihn einzuladen und damit zu Dauergasteltern zu werden?
Es war richtig, ihn kennen zu lernen, auch wenn in diesem Land der Frieden nicht erhalten werden konnte. Welchen Beitrag hat nun Fofuna Boukariou zu leisten?

Peo ging davon aus, nicht alles negativ zu hinterfragen und betrachtete dieses Kennenlernen und jenes mit Humaid Aldhuhoori aus Ras Alchaimah in den Vereinigten Arabischen Emiraten, einem Gastschüler an der Kadette, als einen Familienbeitrag aus dem zivilen Leben.

Mit dem Arzt Mahdi Al. mounged aus dem Jemen, welchem Peo im Januar 2008 auf dessen Suche nach einem Haarwaschmittel im Supermarkt begegnete, wäre beinahe keine freundschaftliche Bekanntschaft aufgebaut worden. Mit 93 Jahren verstarb ein engster Verwandter und nun wurde die Zeit der Hinterbliebenen gewidmet, einer bescheidenen und liebenswerten Oma. Das Leben geht weiter und einen Monat später reichte die Kraft auch wieder für den nächsten Kontakt, für den Arzt Mahdi, wie immer im Zufall entstanden und auch keine Wunder, wenn sich die Wege zum Discounter täglich kreuzen.
Schnell kam es während der Sprachübungen (der Leser möge einem noch wenig Sprachkundigen einmal den Begriff „systemvernetzte Funktionslösungen werden durch eine Centrale Stelle ersetzt“ erklären), ein wichtiges Anliegen der Kontaktpflege, auch zum Austausch über Wertevorstellungen und landesübliches Verhalten. Wie schön, Wertschätzungen und Achtung zu studieren und zu erleben.
Der Jüngere geht rechts vom Älteren, der Älteste einer Runde darf zuerst Platz nehmen, einer alten Frau wird höchster Respekt gezollt. Es wird nicht die Rede des Gegenübers unterbrochen.
Während eines Rundganges durch Jena am 29. März 2008 konnte Peo registrieren, wie sein Gast über die vielen jungen Leute, die studentische Jugend, nachdachte und die damit verbundene Tatsache, dass die Deutschen kaum noch Kinder haben und diese auch groß werden lassen wollen.
Wie erklärt man einem ausländischen Gast diese Tatsache mit einfachen Worten?
Wie erklärt man Bekannten nachhaltig, dass im Jemen freundliche Einwohner ihre Gäste durchaus schützen und nur ein Bruchteil zum radikalen Handeln neigt? Kein Unterschied also zu den Bürgern der Bundesrepublik.

Google Earth ermöglichte auch einen Einblick in die jemenitische Geographie. Der Gast zeigte den Gastgebern sein Vater- und Mutterhaus, die Flächennutzung (Weinanbaugebiete, Apfelplantagen, Weizenfelder) in der Farm der Eltern. Den in Deutschland nicht möglichen Anbau von bestimmten Pflanzen müssen wir nicht übersehen. Die im Bild erkennbaren grünen und korrekt linear ausgerichteten Reihen zwangen zu der Frage, was das wohl sei. Schließlich werden in der Medizin Grundstoffe für Schlaf- und Heilmittel auch in Deutschland benötigt.
Der Leser möge selbst ausprobieren, wie im Umgang mit Bürgern anderer Völker Erkenntnisse zu einer Änderung der eigenen selbstgefälligen Urteile über Traditionen, Religion, Hautfarbe, Geisteshaltung, Begabung, Bildungsfähigkeit usw. führen, wie Bildungsangebote dem der deutschen Schulen und Einrichtungen bei weitem das Wasser reichen, wie selbstzerstörerisch Fremdenfeindlichkeit ist.

Der Genauigkeit halber wird der Leser darauf hingewiesen, dass die volkstümlich genannte Kadette in der Kösener Straße auf Erden auch einen offiziellen Namen hat.

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